FilmFestival Cottbus 2015: Interview mit Programmdirektor Bernd Buder

25. FilmFestival Cottbus: Hinter Klischees blicken


Programmdirektor Bernd Buder. Foto: Goethe

Programmdirektor Bernd Buder. Foto: Goethe

Vor Beginn des 25. FilmFestival Cottbus haben wir uns mit Programmdirektor Bernd Buder über das Festival unterhalten. Im Interview gibt er nützliche Programmtipps, prophezeit einen Eröffnungsfilm, der Mediengeschichte schreibt, und bewundert den Mut von Filmemachern wie dem Ukrainer Oleg Sentsov.

Herr Buder, was zeichnet den Festival-Standort Cottbus aus?
Bernd Buder:
Cottbus widmet sich seit 25 Jahren Osteuropa und dem osteuropäischen Kino. Das Publikum hier kann die Sprache der osteuropäischen Filmemacher lesen, auf und zwischen den Zeilen, das gefällt insbesondere unseren Gästen aus Osteuropa. Damit und mit seinem Ost-West-Koproduktionsmarkt connecting cottbus bietet das Festival ein einzigartiges Forum, sich kenntnisreich – und oft mit viel (Selbst)Ironie – über alle möglichen Grenzen hinweg auszutauschen und darüber hinaus mit Kollegen aus ganz Europa neue Projekte anzuschieben.

Eröffnungsfilm ist eine Fernsehproduktion, der „Polizeiruf 110 – Grenzgänger„. Warum ein Fernsehfilm als Eröffnung eines Filmfestivals?
Fernsehen und Film gehören ja oft zusammen, das TV taucht fast immer als Koproduktionspartner auf. Den „Polizeiruf 110 – Grenzgänger“ zeigen wir aber auch, weil er ein Thema behandelt, dass uns besonders am Herzen liegt: Normalität, Alltag in das deutsch-polnische Verhältnis zu bekommen. In dem Krimi, eine deutsch-polnische Koproduktion, ermittelt erstmals im Fernsehen ein gemeinsames deutsch-polnisches Team in einem Mordfall – ein Novum, das Mediengeschichte schreiben wird wie einst die Ernennung von Mehmet Kurtuluş zum ersten türkischstämmigen Fernsehkommissar im „Tatort„. Eine weitere Chance, die Begegnung zwischen Deutschen und Polen auf Augenhöhe populärer zu machen, und zudem ein regionales Thema: der Krimi wurde nicht weit weg von Cottbus, in Frankfurt/Oder, gedreht.

Kern des Festivals ist natürlich der Wettbewerb. Welche der Filme sollte niemand verpassen?
Drei, die die ungeheure stilistische und kulturelle Bandbreite Osteuropas repräsentieren: der polnische „Dämon„, der einen schwarzen Fleck in der Geschichte Polens – den Antisemitismus kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs – als Genre-Drama, quasi als Geschichts-Horror-Film, reflektiert, „Liza, die Fuchsfee„, eine schwarze Komödie aus Ungarn mit „Amélie„-Anklängen, und der wunderschön fotografierte kirgisische Arthausfilm „Nomaden des Himmels„, der nach dem Verhältnis zwischen Tradition und Moderne fragt, ohne dem Zuschauer eine Entscheidung aufzudrängen.

Welcher der Filme ist der größte Exot in der Auswahl?
Von den Produktionsländern her „Die Tschetschenische Familie„, ein argentinischer Dokumentarfilm über Tschetschenien. Von der Teamarbeit „Baku vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung„, ein 70minütiges Portrait der aserbaidschanischen Hauptstadt, den 15 junge Filmemacher inszeniert haben und der so aus einem Guss rüberkommt, als wäre nur ein Regisseur verantwortlich, und der russische Wettbewerbsbeitrag „Das Land von Oz„, ein ungeheuer skurriles Portrait einer Neujahrsnacht in Jekaterinenburg.

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