Film:ReStored_04: Hörspuren in Filmarchiven


„Gigant Berlin“ von Leo de Laforgue zeigt einen goldenen Westen. Foto: Bundesarchiv

Schwerpunkt des Film:ReStored_04 war in diesem Jahr die Digitalisierung und Restaurierung von Filmtonspuren. Über den Verlauf der Tonfilmära kamen verschiedenste Systeme aus den Bereichen Nadelton, Lichtton und Magnetton zum Einsatz, die unterschiedliche Herangehensweisen erfordern. Denn genau wie ein mithilfe neuester Techniken restaurierter Film nicht besser aussehen soll, als bei seiner Premiere, dürfen auch die Herstellungsspuren auf der Tonspur nicht komplett herausgefiltert werden, wie der polnische Tonrestaurator Jakub Stadnik von der Filmoteka Narodowa in Bezug auf Nitrofilme betont. Problematisch sei eine Überrestaurierung des Tons, wie sie in der Berufspraxis von manchen Filmemachern, Rechteinhabern oder Anbietern von digitalen Absatzwegen verlangt werde. Denn auch ein Rauschen auf der Tonspur sei demnach ein Teil des Filmtons. Wenn dieses in der Nachbearbeitung zu stark reduziert werde, litten darunter auch andere Faktoren wie die Klangdynamik. Ebenso bemängelt Stadnik eine übermäßige Anhebung der Lautstärke. Wünschenswert sei vielmehr eine Beibehaltung der Balance der ursprünglichen Tongestaltung, insbesondere bezüglich der Relation zwischen Dialogen und der Musikspur.

Zwei anscheinend gegensätzliche, aber doch vergleichbare Blickwinkel auf die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik unmittelbar vor und nach dem Mauerbau erlaubten die Dokumentarfilme „Dass ein gutes Deutschland blühe“ (DDR 1959) und „Gigant Berlin“ (BRD 1964).
Ersterer wurde von dem Regisseur Joop Huisken zum 10. Jahrestag der DDR erstellt. Für den Sprechertext wurde der Dichter Stephan Hermlin verpflichtet, der einen mehr poetischen als pathosgeladenen Kommentar schuf. Doch das SED-Politbüro befand den Text als zu „neutralistisch“ und beauftragte einen neuen Kommentar bei Karl-Eduard von Schnitzler. So kam der Film mit einer neuen Tonspur versehen unter dem Titel „Ein neues Deutschland“ in die Kinos der DDR, während die Hermlin-Fassung in den Westen wanderte. Film:ReStored zeigte die Export-Fassung, welche einen schöngefärbten Blick auf die idealisierten Industrie-, Arbeits- und Lebenswelten des Sozialismus erlaubt.
„Gigant Berlin“, gedreht von Leo de Laforgue mit Unterstützung des Senats von Berlin, entwirft hingegen ein buntes Abziehbild der Westseite der geteilten Stadt. In atemlosem Rhythmus und untermalt von einem bisweilen reißerischen und sensationslüsternen Off-Kommentar entwirft die Dokumentation eine Großstadtsymphonie im Stile Walter Ruttmanns zwischen Wirtschaftswunder und Mauerbau. Ein kapitalistischer Propagandafilm, der zwischen schillernder Trivialität und Zeitgeschichte wie dem Besuch von John F. Kennedy in Berlin oder den Trümmern und Denkmälern für die Opfer des Zweiten Weltkriegs hin- und herschwingt und dadurch ganz ähnliche Scheinwelten abbildet, wie das Gegenstück „Dass ein gutes Deutschland blühe“ der DEFA.

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