BFF on the Road: Besuch beim Sundance Film Filmfestival 2020

Sundance 2020: Filme gucken im Schnee



Das Festival richtet verschiedene Wettbewerbe aus, die in erster Linie „national“ und „international“ aufgeteilt sind und weiter kategorisiert in Spielfilm, Dokumentarfilm und Kurzfilm. Die Jury bestand aus internationalen Größen der Filmindustrie wie Ethan Hawke, Isabella Rossellini oder Alba Rohrwacher, aber auch im weiteren Sinne aus der Kulturbranche. Fotografin Cindy Sherman beispielsweise war Teil der Kurzfilmjury. Ihre Einladung ist ein weiterer Indikator für den hohen Anspruch, den sich das Festival setzt.

Während die Auswahl der Dokumentarfilme einen eindeutig politischen Schwerpunkt aufweisen, lässt sich feststellen, dass der Spielfilm sich vielmehr das Individuum herausstellen.
Zu den eindrücklichsten Dokumentarfilmen im Programm gehört „Welcome to Chechyna“ von David France. Chechnya ist eine Region im Süden von Russland, in der ein putinnaher Gouverneur an der Macht ist. Hier haben vor ein paar Jahren nach einer Drogenrazzia der Polizei in einem Wohnhaus, systematische Übergriffe gegenüber Homosexuellen begonnen. Verdächtige werden von der Polizei verhaftet, gefoltert und, wenn sie Glück haben, vertrieben. An den Säuberungsaktionen beteiligen sich fleißig Zivilisten, das Klima in Chechnya ist lebensbedrohlich. Weiblichen wie männlichen Homosexuellen wird durch eine ehrenamtliche Organisation Unterschlupf angeboten, bevor versucht wird, ihnen Asyl im Ausland zu ermöglichen. Die Situation ist aktuell, also auch noch nach Jahren, kritisch, wenn nicht noch verschärft, da offenbar andere Regionen ein ähnliches Feindbild übernommen und seitens der Politik Unterstützung finden bzw. dies direkt von offizieller Stelle aus gesteuert wird.

The Earth is as Blue as an Orange“ von Iryna Tslyk führt den Zuschauer in eine verwandte Region und Thematik, hier handelt es sich um ein anderes Feindbild, doch mit ähnlichen Auswirkungen. Die ukrainische Regisseurin und Schriftstellerin begleitet in ihrem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm eine alleinerziehende Mutter und ihre vier Kinder. Diese leben in einer der „roten Zonen“ des Donbas. Umgeben von Zerstörung und Krieg bewahrt sich die Familie ihren Lebensmut. Sie dreht einen eigenen Film, der ihre ganze Leidenschaft ist.

Die US-amerikanische Produktion „Mucho mucho amor“ beschäftigt sich mit einem heiteren Thema und der schrillen Persönlichkeit des Anfang des Jahres verstorbenen Puerto Ricanischen Astrologen Walter Mercado. Der charismatische Tausendsassa hat mit einer Karriere als Schauspieler begonnen und avancierte in den 1970er Jahren zu einem Fernsehstar. Seine täglichen Sternzeichenbesprechungen und -voraussagen galten vielen Millionen Menschen als Lebenswegweisungen. Anders als andere selbsternannte Gurus, zeichnete sich Mercado dadurch aus, dass er immer nur positive, motivierende Dinge vorgab. Dicht und spannend wird der Dokumentarfilm aufgebaut, so dass er unterhält und gleichzeitig auf sensible Weise über eine wirklich interessante Persönlichkeit erzählt, die für Lateinamerika zur Sozialisierung mehrere Generation überdauert hat.

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