38. Interfilm: Kurzfilme und Konfetti
Vom 15. bis 20. November 2022 findet das internationale Kurzfilmfestival Interfilm zum 38. Mal statt. Euch erwarten neben 350 Kurzfilmen in über 50 Programmen auch Workshops, Partys und mehr.
Am Dienstag, den 15. November, findet die Festival-Eröffnung mit Einblicken in einige Filme des vielfältigen Programms ab 21 Uhr wie immer in der Volksbühne statt. Die Band KRIWI begleitet den Abend mit belarussischem newFolk und clubEthno.
Im Internationalen Wettbewerb, dem Herzstück des Festivals, sind in diesem Jahr 53 Filme in acht verschiedenen Filmprogrammen zu sehen. Diese zeugen auf ganz unterschiedliche Weise davon, womit Menschen weltweit kämpfen, in welchen politischen Systemen sie leben, was ihnen Freude oder Angst macht oder wogegen sie rebellieren.
Der Dokumentarfilmwettbewerb verschafft tiefe Einblicke in Themengebiete wie Umwelt, Kriege und Gewalt, Erinnerungen und Traumata. Im Deutschen Wettbewerb finden sich verschiedenste Werke zu Themen wie Migration, Kapitalismus, Leistungsdruck oder Begehren.
Ghosts of Europe entstand aus der Zusammenarbeit der Filmfestivals Brussels Short Film Festival, Friss Hús Budapest und Interfilm Berlin, die jeweils ein Programm zur Sektion beisteuerten, die sich Fragen rund um Europa und dessen Grundwerte verschrieben hat.
Ein Highlight des Umweltfilm-Wettbewerbs ist der Animationsfilm SAVE RALPH von Spencer Susser über ein Versuchskaninchen, gesprochen von Taika Waititi – ein vehementes Plädoyer gegen Tierversuche in der Kosmetikindustrie.
Die beiden Programme des European Short Film Audience Award sind vom 15. bis 20. November 2022 nicht nur vor Ort im Kino zu sehen, sondern in ganz Deutschland sowie in Österreich auch online bei SOONER.DE. Alle Filme dieser Auswahl gewannen einen Publikumspreis auf verschiedenen europäischen Filmfestivals.
Der Fokus liegt in diesem Jahr auf Kurzfilmen aus den Philippinen, einem von der Filmindustrie bislang wenig beachteten Land, das sich in den letzten Jahren allerdings vor allem durch unabhängig produzierte Kurzfilme zur wichtigsten südostasiatischen Kinonation gemausert hat.
Um die Rechte und die Kämpfe von Frauen und Mädchen geht es auch in dieser Festivalausgabe im Spezialprogramm Girls* Riot!, das 15- bis 19-jährige Kurator*innen während eines Workshops zusammengestellt haben.
Bei Eject XXV, der langen Nacht des abwegigen Films, dem unter Berliner Cineast*innen schon lange berühmten Kindergeburtstag für Erwachsene, könnt ihr als Publikum einen Preis vergeben und mit Tröten, Klatschen, Konfetti und Luftballonwerfen im Verlauf des Abends euren Lieblingskurzfilm küren. Danach wird im Roten Salon weitergefeiert. Die bunte Sause startet am Freitag, den 18. November, ab 22 Uhr in der Volksbühne.
Dort findet am Samstag, den 19. November, ab 21:30 Uhr ein weiteres Highlight seinen Weg auf die Bühne: Sound & Vision – Kurzfilme, die von Musiker*innen live neu vertont werden. Die Feierwütigen unter euch bekommen wieder mehrere Gelegenheiten, das Tanzbein zu schwingen: Am Freitag, den 18. November, steigt die Eject-Party und am Samstag, den 19. November, die große Interfilm-Party. Beide finden ab 23 Uhr im Unterfilm Kinoclub bei freiem Eintritt statt.
Bevor es losgeht, hat Berliner Filmfestivals-Autorin Stefanie Borowsky einen Blick in das umfangreiche Programm geworfen und ihre Lieblinge für euch zusammengestellt…
LOVE, DAD (OT: MILÝ TATI)
Darum geht es:
Diana wächst in Tschechien als Tochter eines vietnamesischen Paares auf. Aus dem Gefängnis schreibt ihr Vater seiner Tochter liebevolle Briefe. Doch als er nach einem Jahr in die Familie zurückkehrt, verändert sich etwas. Als Dianas Mutter erneut schwanger ist und erfährt, dass es ein Mädchen wird, verlässt der Vater die Familie. Er wünscht sich einen Sohn, denn seiner Überzeugung nach kann nur ein Sohn die Familie weiterführen. Diana reflektiert filmisch, wie anders ihr Verhältnis zu ihrem Vater wohl aussähe, wäre sie ein Junge geworden.
Was du zum Film wissen musst:
Diana Cam Van Nguyen, Tochter vietnamesischer Eltern, studierte Animationsfilm an der FAMU in Prag. Für ihren Abschlussfilm LITTLE ONE, der auf einigen Festivals lief, gewann sie mehrere Preise. Auch für LOVE, DAD, in den sie Fotos, Briefe und Stop Motion einbindet, erhielt sie bereits mehrere Auszeichnungen, u. a. beim London Film Festival und beim Tallinn Black Nights Film Festival. LOVE, DAD, der nicht nur von einer persönlichen Vater-Tochter-Beziehung, sondern auch von einer Kultur handelt, in der ein Sohn nicht selten noch immer als „wertvoller“ gilt als eine Tochter, ist auch als European Short Film bei den European Film Awards 2022 nominiert. – StB
LAND OF GLORY (OT: PANNÓNIA DICSÉRETE)
Darum geht es:
Der Premierminister plant einen Besuch an einer ungarischen weiterführenden Schule. Nachdem die Schülerin, die eigentlich eine Rede halten sollte, krankheitsbedingt ausgefallen ist, soll Teenagerin Márti spontan einspringen. Während alle in der Schule hektisch Vorbereitungen für den Ministerbesuch treffen und eine Torte in Ungarn-Form dekorieren, überlegt sich Márti heimlich einen etwas anderen Vortrag.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin Borbála Nagy studiert an der DFFB und hat ungarische Wurzeln. Für LAND OF GLORY, die Geschichte einer kleinen Rebellion gegen die große Politik, erhielt sie 2020 u. a. den Deutschen Kurzfilmpreis und den Preis für den besten mittellangen Film beim Berliner Filmfestival Achtung Berlin. – StB
THE ART OF AUTHENTICITY
Darum geht es:
Dreck, Gestank, Urin. An vielen Ecken wirkt Berlin nicht gerade einladend. Doch wer sorgt eigentlich für dieses so „authentische“ Berlin-Gefühl? Die Antwort lautet: die Berliner Behörde für Stadtauthentizität, kurz BfSa. Schade nur, dass deren engagiertester Mitarbeiter so wenig Anerkennung für seine anstrengende und herausfordernde Tätigkeit bekommt.
Was du zum Film wissen musst:
Autodidakt Carlo Oppermann drehte Musikvideos, u. a. für Kraftklub (hier unsere Kritik zu WIE ICH), Werbe- und Dokumentarfilme. In THE ART OF AUTHENTICITY findet er eine skurrile, aber durchaus einleuchtende Erklärung für das typische Berliner Stadtbild. – StB
Termine beim 38. Interfilm Kurzfilmfestival:
DEUTSCHER WETTBEWERB
Hamsterrad
Mittwoch, 16. November 2022, 17:30 Uhr, Colosseum 2
Freitag, 18. November 2022, 18:30 Uhr, Unterfilm Clubkino
Samstag, 19. November 2022, 22:00 Uhr, Pfefferberg Theater
SPEZIALPROGRAMME
Reality Bites
Donnerstag, 17. November 2022, 21:00 Uhr, Unterfilm Clubkino
Samstag, 19. November 2022, 20:30 Uhr, Zeiss-Großplanetarium Kino
HOLY HOLOCAUST
Darum geht es:
In den 90er-Jahren lernen sich Noa aus Israel und Jenny aus Deutschland in einem Malkurs in Paris kennen und werden Freundinnen. Doch nach mehreren Jahren der Freundschaft zieht Jenny sich plötzlich zurück. Als Noa nachhakt, erfährt sie den Grund: Jenny, eine Schwarze Deutsche, hat herausgefunden, dass ihr leiblicher Großvater der NS-Massenmörder Amon Göth war.
Was du zum Film wissen musst:
Im von wahren Ereignissen inspirierten Animationsfilm HOLY HOLOCAUST geht Noa Herzberg der Frage nach, wie sehr die eigene Familiengeschichte bis heute nachwirkt. Jennifer Teeges Buch AMON: MEIN GROßVATER HÄTTE MICH ERSCHOSSEN, auf das Herzberg im Film Bezug nimmt, erschien 2013. – StB
LOUIS 1er ROI DES MOUTONS (IT: LOUIS I. KING OF THE SHEEP)
Darum geht es:
Als ein Windstoß eine Krone aus Papier zu ihm weht, ernennt sich Schaf Louis kurzerhand selbst zum König der Schafe. Von nun an geht Louis – mit einem Zweig als Zepter im Vorderhuf – aufrecht auf den Hinterbeinen durch die Welt. Er lässt einen königlichen Garten anlegen, geht auf die Jagd und lässt sich in Herrscherpose porträtieren. Doch schnell nimmt Louis‘ neu gewonnene Macht absolutistische Züge an.
Was du zum Film wissen musst:
Mit dem Animationsfilm LOUIS 1er ROI DES MOUTONS, der auf dem gleichnamigen Bilderbuch von Olivier Tallec beruht, nimmt Regisseur Markus Wulf Bezug auf den französischen König Ludwig XIV., den „Sonnenkönig“, und zeigt, wie schnell Macht die Persönlichkeit verändern kann. Wulf studierte u. a. Filmregie und Drehbuch an der Columbia University in New York und hinterfragt in seinen Werken häufig Macht und Autoritäten. – StB
SANDSTORM (OT: MULAQAT)
Darum geht es:
In Karatschi, Pakistans größter Stadt, chattet die Schülerin Zara seit einer Weile mit einem Mann, der sie bald persönlich treffen möchte. Als sie ihm ein Video schickt, in dem sie sinnlich tanzt, redet er ihr ein, das Video sei zu freizügig, und versucht, sie zu erpressen. Doch Zara weiß, dass sie nichts falsch gemacht hat.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin und Drehbuchautorin Seemab Gul erzählt die Geschichte einer mutigen Schülerin, die in einer patriarchalen Gesellschaft bestehen muss und sich gegen einen übergriffigen Mann und dessen Gaslighting wehrt. Damit zeigt Gul, wie junge Menschen in Pakistan aufwachsen: zwischen strengen Traditionen und den Freiheiten, die Onlinekommunikation und soziale Medien bieten. SANDSTORM war als erster pakistanischer Kurzspielfilm beim Sundance Filmfestival 2022 zu sehen und erhielt weltweit bereits zahlreiche Auszeichnungen und Nominierungen.– StB
KIRSCHKNOCHEN (IT: CHERRY BONE)
Darum geht es:
Kurz bevor sie nach England zieht, reflektiert Evgenia Gostrer die Immigration ihrer russisch-jüdischen Familie nach Deutschland, die in den 1990er-Jahren stattfand. Vier Taschen waren alles, was sie mitbrachten. Jetzt, als Erwachsene, befragt Evgenia ihre Eltern. Welche Träume hatten sie damals – für sich selbst, aber auch für ihre Kinder?
Was du zum Film wissen musst:
Evgenia Gostrer, geboren in Russland, kam als 15-Jährige mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie studierte Visuelle Kommunikation und Regie und lebt derzeit in London. In KIRSCHKNOCHEN, dessen Titel auf ein sprachliches Missverständnis anspielt, kombiniert sie Knetanimationen mit ihren eigenen Erinnerungen, die sie aus dem Off erzählt, und denen ihrer Eltern, die sie interviewt. – StB
LOLA
Darum geht es:
Auf Korsika verbringt Teenagerin Lola Zeit mit ihrem Freund Ange auf einem abgelegenen Feld. Plötzlich überschreitet Ange Lolas Grenzen, wird übergriffig und versucht, sie zu vergewaltigen. Lola vertraut sich mehreren Menschen in ihrem Dorf an, doch niemand hilft ihr. Selbst ihre Mutter rät ihr, nichts zu sagen. Lola solle an ihren Ruf denken – und Jungs seien nun mal so. Lola begreift: Sie muss allein für sich und ihre Rechte kämpfen.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin und Autorin Silvia Staderoli studierte Kino in Bologna, lebt in Rom und Paris und drehte bereits mehrere Dokumentarfilme. Im Kurzspielfilm LOLA zeigt sie, wie sich eine mutige Teenagerin, die sexualisierte Gewalt erlebt hat, gegen die patriarchalischen Denkmuster in ihrem korsischen Heimatdorf wehrt. – StB
Termine beim 38. Interfilm Kurzfilmfestival:
INTERNATIONALER WETTBEWERB
Gaining freedom in this world
Donnerstag, 17. November 2022, 22:00 Uhr, Pfefferberg Theater
Samstag, 19. November 2022, 15:30 Uhr, Rollberg Kino
Sonntag, 20. November 2022, 20:30 Uhr, Zeiss-Großplanetarium Kino