Französische Filmwoche 2022: Frische französischsprachige Filmperlen
Vom 24. bis 30. November 2022 gibt die Französische Filmwoche in Berlin und erstmals auch zeitgleich in anderen deutschen Städten Einblicke in das aktuelle Filmschaffen im cinephilen Nachbarland. Festivalbesucher*innen können sich auf aktuelle französischsprachige Filme freuen, die erst in den kommenden Wochen und Monaten in Deutschland ins Kino kommen werden.
Die Französische Filmwoche empfängt zahlreiche Gäste, Schauspieler*innen und Regisseur*innen, die ihre Filme in Berlin dem interessierten Publikum vorstellen werden. Dabei sind u. a. Emily Atef (MEHR DENN JE, 3 TAGE IN QUIBERON) und Lukas Dhont (CLOSE, GIRL).
Eindrücke vom französischsprachigen Filmschaffen weltweit bietet die Filmreihe Francophonie, Kinderfilme machen den Jüngsten Lust auf französisches Kino und in einer Sondersektion sind Filme der preisgekrönten Regisseurin Alice Diop zu sehen, die mit NOUS auf der Berlinale 2021 zu Gast war und den Encounters Award gewann.
Weiterlesen: Hier Teresa Venas Kritik „Wir sind die Gesellschaft„ zu NOUS von Alice Diop…
Berliner Filmfestivals-Autorin Stefanie Borowsky hat ein paar Filmtipps zur Französischen Filmwoche aus dem Programm zusammengestellt…
UNE JEUNE FILLE QUI VA BIEN (IT: A RADIANT GIRL)
Darum geht es:
Die 19-jährige Jüdin Irène (Rebecca Marder) lebt mit ihrem Bruder Igor (Anthony Bajon), ihrem Vater (André Marcon) und ihrer Großmutter in Paris und möchte Schauspielerin werden. Unbeschwert träumt sie von einer Karriere am Theater – und verliebt sich in den jungen Augenarzt Jacques. Doch es ist das Jahr 1942. Paris ist von den Nazis besetzt, die Schritt für Schritt die Freiheiten der Jüd*innen einschränken. Während ihre Großeltern sich große Sorgen um ihre Zukunft als Jüd*innen in Frankreich machen, hofft Irène noch immer, am Konservatorium in Paris aufgenommen zu werden und eines Tages als Schauspielerin auf der Bühne stehen zu können.
Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin, Schauspielerin und Chanteuse Sandrine Kiberlain (DER KLEINE NICK, TAGEBUCH EINER PARISER AFFÄRE) ist die Tochter polnisch-jüdischer Eltern und ließ ihre Familiengeschichte in den Film einfließen, dessen Drehbuch sie schrieb und den sie 2021 bei der Semaine de la Critique in Cannes präsentierte. UNE JEUNE FILLE QUI VA BIEN (IT: A RADIANT GIRL) ist ihr Spielfilmdebüt als Regisseurin, das mit einer natürlich und unbekümmert agierenden Hauptdarstellerin (Rebecca Marder von der Comédie Française) und der bewegenden Geschichte einer jungen Jüdin im von den Nazis besetzten Paris überzeugt. In Sandrine Kiberlains in zeitloser Ästhetik inszeniertem Film stehen bis zuletzt Irène und ihre Träume im Zentrum – nicht die Täter*innen. – StB
Termin bei der Französischen Filmwoche:
Montag 28. November, 20:00 Uhr, Passage
ANNIE COLÈRE (IT: ANGRY ANNIE)
Darum geht es:
Februar 1974 in der französischen Provinz. Fabrikarbeiterin Annie (Laure Calamy) hat bereits zwei Kinder und ist ungewollt schwanger. Mit der Hilfe der örtlichen Gruppe der MLAC (Mouvement pour la liberté de l’avortement et de la contraception – Bewegung für die Freiheit der Abtreibung und der Verhütung) lässt Annie eine Abtreibung durch einen jungen Arzt vornehmen. Als ihre Nachbarin Christiane nach einer unprofessionell und nicht durch die Gruppe durchgeführten Abtreibung stirbt, schließt sich Annie der MLAC-Bewegung an, zu der Frauen und Männer mit ganz unterschiedlichen Hintergründen gehören, um andere ungewollte schwangere Frauen zu unterstützen.
Was du zum Film wissen musst:
Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin Blandine Lenoir, Jahrgang 1973, war mit MONSIEUR L’ABBÉ 2011 für den César in der Kategorie Bester Kurzfilm nominiert. In ANNIE COLÈRE (IT: ANGRY ANNIE) nimmt sie die 1973 gegründete Bewegung MLAC in den Blick, die sich in den 1970er-Jahren in Frankreich für das Recht auf Abtreibung einsetzte, und erzählt darüber hinaus von der Selbstermächtigung einer Frau, die immer mehr über ihren Körper lernt und so an Selbstbewusstsein gewinnt. Die Geschichte von Annie ist die von Millionen Frauen und zeigt auch angesichts aktueller und rückwärtsgewandter politischer Entscheidungen wie etwa in den USA oder in Polen eindrücklich, wie wichtig es ist, Frauen sichere Abtreibungen zu ermöglichen. – StB
Termin bei der Französischen Filmwoche:
Dienstag, 29. November, 20:30 Uhr, Cinema Paris
FRAGIL (OT: FRAGILE)
Darum geht es:
Austernzüchter Az (Yasin Houicha) aus Südfrankreich möchte seiner Freundin Jess (Tiphaine Daviot), die gerade in einem Krimi mitspielt, einen Heiratsantrag machen. Was läge näher, als den Ring in einer Auster zu verstecken? Doch leider verschluckt sich Jess nicht nur an dem Ring – sie sagt auch Nein. Az kehrt in sein Elternhaus zurück und verbringt seine Zeit weinend und Schokolade essend damit, Liebesfilme anzuschauen. Doch seine Clique hat eine Idee, wie Az seine Jess zurückgewinnen könnte: Ein neuer Look muss her! Lila (Oulaya Amamra) hat allerdings noch einen besseren Vorschlag: Az soll tanzen lernen, um Jess zu beeindrucken.
Was du zum Film wissen musst:
Die französisch-algerische Regisseurin, Drehbuchautorin und Cutterin Emma Benestan besuchte die berühmte Pariser Filmschule La Fémis. In ihrem ersten Spielfilm, der leichtfüßigen romantischen Komödie FRAGIL, kehrt sie traditionelle Geschlechterstereotype um und lässt einen sensiblen Mann Liebeskummer erleiden – und tanzen, obwohl seine Freunde sich anfangs darüber lustig machen und sein Verhalten zu FRAGIL bzw. „unmännlich“ finden. Einige ihrer Schauspieler*innen lernte sie beim Projekt 1000 Visages kennen, das für Diversität steht und Jugendlichen mit verschiedenen sozialen Hintergründen die Chance bietet, sich in der Filmbranche auszuprobieren. – StB
Termine bei der Französischen Filmwoche:
Dienstag, 29. November, 20:00 Uhr, Passage
Mittwoch, 30. November, 18:00 Uhr, Cinema Paris, in Anwesenheit von Emma Benestan (Regisseurin) und Yasin Houicha (Schauspieler)
Kinostart in Deutschland: 1. Dezember 2022
DER KLEINE NICK ERZÄHLT VOM GLÜCK (OT: LE PETIT NICOLAS : QU’EST-CE QU’ON ATTEND POUR ÊTRE HEUREUX ?)
Darum geht es:
Nick ist ein schalkhafter kleiner Junge aus Paris, der gern Abenteuer erlebt. Ob in der Schule, mit seinen Freunden, mit Mädchen oder in den Ferien: Der kleine Nick heckt gern Streiche aus, bleibt dabei aber immer liebenswert. Wenn er gerade keinen Unsinn anzettelt, besucht er seine beiden Schöpfer, den Comicautor René Goscinny und den Zeichner Jean-Jacques Sempé in ihren Büros. Auf der Schreibmaschine oder aus der Zeichnung heraus spricht Nick mit seinen Erfindern, die ihm von ihrer Freundschaft und von ihrer eigenen Kindheit erzählen.
Was du zum Film wissen musst:
Der Animationsfilm DER KLEINE NICK ERZÄHLT VOM GLÜCK von Amandine Fredon und Benjamin Massoubre beruht auf der zwischen 1959 und 1964 entstandenen französischen Kinderbuchreihe von René Goscinny, die der im August 2022 verstorbene Jean-Jacques Sempé illustrierte. Goscinnys Tochter Anne arbeitete am Drehbuch zu dem Film mit, der seine Weltpremiere 2022 bei den Filmfestspielen von Cannes erlebte und dort für die Goldene Kamera nominiert war. Der französische Filmtitel bezieht sich auf ein Chanson von Ray Ventura aus dem Jahr 1938, das im Film zu hören ist. Nach den Spielfilmen DER KLEINE NICK (2009), DER KLEINE NICK MACHT FERIEN (2014) und DER KLEINE NICK AUF SCHATZSUCHE (2021) wählen Fredon und Massoubre einen anderen Zugang zu dem berühmten französischen Comichelden: Sie lassen den in nostalgisch anmutenden Bildern nah am Original animierten kleinen Nick nicht nur eigene Abenteuer erleben, sondern auch seine Schöpfer und deren anrührende Kindheitsgeschichten kennenlernen. – StB
Termin bei der Französischen Filmwoche:
Sonntag, 27. November, 15:00 Uhr, Cinema Paris, in Anwesenheit von Benjamin Massoubre (Regisseur) und Aton Soumache (Produzent)
Kinostart in Deutschland: 1. Dezember 2022