Die Woche der Kritik 2025 im Überblick


THE END © MUBI
THE END © MUBI

Wie jedes Jahr steht auch 2025 die Woche der Kritik unter einem besonderen Motto. In diesem Jahr lautet der Themenschwerpunkt: „Zurück zur Klassenfrage – Filmkultur und soziale Ungleichheit“. Damit nimmt die Woche der Kritik eine aktuelle Bestandsaufnahme eines wichtigen gesellschaftlichen Diskurses vor und eröffnet Perspektiven, die in dieser Deutlichkeit auf Filmfestivals kaum Platz finden – fehlt doch häufig der Raum für tiefergehende Diskussionen, den es bei der Woche der Kritik seit jeher gibt.

Die Woche der Kritik wird veranstaltet vom Verband der deutschen Filmkritik, gefördert vom Hauptstadtkulturfonds und der Rudolf Augstein Stiftung. Die Eröffnungskonferenz findet in Kooperation mit der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste statt. Der diesjährige Themenschwerpunkt wurde in Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung entwickelt.
Diesem widmen sich besonders drei Veranstaltungsabende. Los geht es bereits am 10. Februar – vor Festivalbeginn – mit einem Filmabend in der Berliner Kneipe Kumpelnest 3000 ab 19:30 Uhr. Die traditionelle Auftaktveranstaltung eröffnet dann am 12. Februar offiziell die Woche der Kritik und vom 12. bis 20. Februar findet eine Schreibwerkstatt zum Thema „Filmkritik und die Klassenfrage“ mit dem Filmkritiker Till Kadritzke statt, zu der sich Interessierte vorab anmelden konnten.

Die Eröffnungskonferenz ist auch in diesem Jahr hochkarätig besetzt: Marco Müller (Festivalleiter/Produzent), Jovana Reisinger (Autorin/Regisseurin), Francis Seeck (Vermittler*in/Professor*in/Autor*in), Andreas Kemper (Soziologe), Biene Pilavci (Regisseurin), Nuray Demir (Künstlerin/Kuratorin), Heike-Melba Fendel (Autorin/Schauspielagentin), Christopher Andrews (Regisseur) und Katalin Gennburg (Politikerin). Fokus der Konferenz ist die Klassenfrage, die soziale Ungleichheit, die herrscht und inwieweit diese Ungleichheit Auswirkungen auf politische Tendenzen hat.

So schreibt die Woche der Kritik: „Wir suchen in der Diskussion mit Kolleg*innen nach blinden Flecken, Klassenscham, Statuspolitik und Möglichkeitsräumen – immer im Verhältnis zum Kino als sozialem Raum, dem das Potenzial innewohnt, Klassengrenzen durch gemeinsame und anonyme Filmerfahrungen zu überwinden.“ 

Am 14. Februar wird es ein Filmprogramm zum Thema unter dem Titel „Back to the class issue“ mit anschließender Diskussion geben.

Das gesamte Filmprogramm, das vom 13. bis 20. Februar gezeigt wird, ist wieder einmal sehr vielfältig. Mal ist das Thema soziale Ungleichheit subtiler, mal ist es allgegenwärtig. Sei es in der Familie, in der Gesellschaft oder in größeren Systemen. Zum Beispiel in Form von kolonialer Gewalt wie bei Annalisa D. Quagliata Blancos Deutschlandpremiere AOQUIC IEZ IN MEXICO! MEXICO WILL NO LONGER EXIST! (¡AOQUIC IEZ IN MEXICO! ¡YA MÉXICO NO EXISTIRÁ MÁS! / MEX 2024). Ein Highlight ist sicherlich auch das Special Screening in Kooperation mit MUBI von THE END (DK/DE/IE/GB 2024) in der Astor Film Lounge am 16. Februar mit prominenten Gästen: Regisseur Joshua Oppenheimer („The Act of Killing“) und den Schauspieler*innen Tilda Swinton und George MacKay („1917“). THE END ist ein Endzeit-Musical geprägt von politischen Debatten um Klassismus, Rassismus und Klimakrise. Im Anschluss findet eine 30-minütige Diskussion statt.

Michaela Grouls

Hier sind weitere Tipps aus dem Programm:

CASABLANCA

CASABLANCA © Films Grand Huit - Dugong Films
CASABLANCA © Films Grand Huit – Dugong Films

Darum geht es:
Der Marokkaner Fouad bemüht sich in Italien um medizinische Behandlung, doch sein Kampf scheint aussichtslos, da ihm die notwendigen Papiere fehlen. Nun steht er vor der Entscheidung, das Land wieder zu verlassen. Daniela, eine Italienerin, ist eine gute Freundin. Nach jahrelangem Alkoholkonsum hat sie ihre Sucht überwunden und steht Fouad zur Seite. Beide sind Außenseiter: Daniela, vom Alkoholmissbrauch gekennzeichnet, versucht, wieder Fuß zu fassen, Fouad will das in Italien nicht so recht gelingen, zumal er auch seine Familie und seine Heimat vermisst.

Was du zum Film wissen musst:
CASABLANCA wirkt wie ein Spielfilm. Die Szenen sind teils tableauartig, haben eine große Bildkraft und kommen den Protagonist*innen sehr nahe. Umso bemerkenswerter, dass es sich um einen Dokumentarfilm handelt. Der italienische Regisseur Adriano Valerio hat sein Können in diesem Genre mit zahlreichen Filmen unter Beweis gestellt und wurde bereits mit dem wichtigsten italienischen Filmpreis David Di Donatello ausgezeichnet. 

Termin bei der 11. Woche der Kritik
Freitag, 14. Februar 2025, 19:00 Uhr, Hackesche Höfe Kino

AGARRANDO PUEBLO (VAMPIRES OF POVERTY)

AGARRANDO PUEBLO © Luis Ospina & Carlos Mayolo
AGARRANDO PUEBLO © Luis Ospina & Carlos Mayolo

Darum geht es:
VAMPIRES OF POVERTY (1978) thematisiert die Reproduktion von rassistischen Stereotypen und Objektifizierung in Dokumentarfilmen über Länder aus dem Globalen Süden in Form eines temporeichen, überzeichneten Mockumentaries: Wir sehen wie ein Filmteam gierig und übergriffig auf der Jagd nach dem besten Bild ihren Protagonist*innen auflauert, sie bloßstellt – aber vor allem sehen wir, wie die Menschen hinter der Kamera die Bilder manipulieren und ihre Sujets ausbeutet. Oft bezahlen sie sogar Laiendarsteller, um das Narrativ der armen, elendig lebenden kolumbianischen Gesellschaft so inszenieren, wie es das Publikum vermeintlich eh schon erwartet. Und alles für das internationale Filmfestivalpublikum und den eigenen Ruhm. Hauptsache Mitleid, niemals Augenhöhe.

Was du zum Film wissen musst:
Das Filmteam um das Regieduo Luis Ospina und Carlos Mayolo nimmt die westliche Überheblichkeit und Ignoranz aufklärerisch gemeinter Dokumentarfilme wunderbar auf die Schippe. VAMPIRES OF POVERTY, der damals in Oberhausen einen Preis gewann und schon damals den Begriff „Misery Porn“ nutzte, vermittelt dabei zudem überzeugend, dass es immer lohnt nicht nur Motivation, sondern auch Machart eines Dokumentarfilms kritisch anzuschauen. Es ist ein bisschen schockierend, dass VAMPIRES OF POVERTY noch heute erschreckend aktuell ist.

Termin bei der 11. Woche der Kritik
Freitag, 14. Februar, 19 Uhr, Hackesche Höfe Kino (Film&Debattenabend „Back to the Class Issue“)

ALL WE EVER WANTED

ALL WE EVER WANTED © Universität der Künste Berlin, Frédéric Jaeger
ALL WE EVER WANTED © Universität der Künste Berlin, Frédéric Jaeger

Darum geht es:
Drei schöne Menschen auf Fuerteventura. Desirée (Charity Collin) fährt mit ihrem besten Freund Sal (Michael Ifeandu) und ihrem Lover (Elias) Mehmet Sözer in den Urlaub. Doch schon kurz nach der Ankunft dreht ihr ihre Mutter den Geldhahn zu und sie müssen ohne große Ressourcen und nur mit einem Zelt ausgestattet eine neue Art des Zusammenseins navigieren, das ungeahnte Wünsche und Projektionen offenlegt. Eine bitzelnde Dreiecksgeschichte entspinnt sich.

Was du zum Film wissen musst:
Vom Filmkritiker, Festivalkurator und Woche-der-Kritik-Gründer zum Regisseur: Mit ALL WE EVER WANTED legt Frédéric Jaeger seinen Abschlussfilm an der Universität der Künste vor. Mit seinem diversen Cast inszeniert er eine fast kammerstückartig anmutende, sommerleichte queere Dramödie. Seine Premiere feierte ALL WE EVER WANTED beim Filmfest München.

Termin bei der 11. Woche der Kritik
Donnerstag, 20. Februar, 16 Uhr, Hackesche Höfe Kino (OmeU)