Träume von gebrochenen Herzen – Tribute an David Lynch


Frank Behnke & Peter Baatz © Frank Behnke
Frank Behnke & Peter Baatz © Frank Behnke

Vor einem halben Jahr überzog die Nachricht von David Lynchs Tod die Welt der Filmliebenden mit einem samtenen Trauerflor. Darunter regt sich, auch in Berlin, immer wieder das Gedenken. Der Filmrauschpalast setzte eine chronologische Retrospektive von Lynchs Filmen gleich für das ganze weitere Jahr an, mit einem Film pro Monat. Das Freiluftkino Kreuzberg hob zu Beginn der Saison den „Lynch Tuesday“ aus der Taufe. Eine Triptychon von Gedenkveranstaltungen organisierte Frank Behnke, einst Ton-Assistent bei BLUE VELVET, dessen finaler Teil heute Abend im Lichtblick-Kino über die Bühne gehen wird. Nach einer Hommage im WATT mit Gesprächen, Kurzfilmen, Bildern, Musik plus „Coffee and cherry pie“ und einem Tribut-Konzert in der Galiläa Kirche präsentiert Behnke im Rahmen des Soundwatch Music Film Festivals mit Kuratorin Natalie Gravenor ein geradezu sensationelles Double-Feature. Zunächst läuft BLUE VELVET REVISITED von Regisseur Peter Braatz (auch bekannt als Harry Rag). Er basiert auf Making-Of-Material, das Braatz und Behnke 1985 am Set von BLUE VELVET drehten. Braatz nennt sein 2016 neu zusammengestelltes Werk A MEDITATION ON A MOVIE, was man auch eine Annäherung an den ikonischen Filmklassiker BLUE VELVET mit den Mitteln seines Regisseurs bezeichnen könnte; Lynch praktizierte bekanntlich seit den frühen 1970er Jahren Transzendentale Meditation und engagierte sich mit einer eigenen Stiftung für die therapeutische Nutzung dieser Technik.


Darüber hinaus ruft BLUE VELVET natürlich in Erinnerung, welche Bedeutung die Musik im Lynch-Universum besaß – und welchen Effekt das Auftauchen in einem Lynch-Soundtrack für die Karriere von Musikern haben konnte. Noch weniger bekannt als die Musik-Alben, die Lynch produzierte oder selbst herausbrachte (die Bandbreite reichte dabei von Hildegard von Bingen bis zu Elektro-Pop und Garage-Rock), dürfte eine Theater-Arbeit sein, der im November 1989 in der Brooklyn Academy of Music zweimal aufgeführt wurde. In nur zwei Wochen hatte Lynch mit seinem Stamm-Komponisten Angelo Badalamenti dort ein Programm auf die Bühne gestellt, das Filmszenen seiner WILD AT HEART-Stars Nicholas Cage und Laura Dern mit performativem Holz-Zersägen und vier Songs der vor drei Jahren verstorbenen Julee Cruise vereint. Das Ergebnis gibt, wenig überraschend, Rätsel auf. Ob der Titel INDUSTRIAL SYMPHONY NO.1: THE DREAM OF THE BROKENHEARTED auch als Augenzwinkern Richtung Hochkultur (und/oder die boomende Musical-Welt des nahen Broadway) gedeutet werden kann, einem vielleicht nicht ganz ausgegorenen Konzept zumindest einen prätentiösen Rahmen verleihen sollte oder doch auf einen dunklen Kern mit soghafter Kraft verweist, bleibt recht offen. Mit Sicherheit ist der dunkle Kinosaal die beste aller Möglichkeiten, sich auch einmal auf dieses kaum bekannte Lynch-Werk einzulassen. Derweil dürfte der heutige Abend im Lichtblick nicht nur eine weitere Verneigung vor Lynchs Vermächtnis werden, sondern auch Rebekah del Rio gedenken. Die erst letzte Woche verstorbene Sängerin, war durch ihren Auftritt in MULLHOLLAND DRIVE einem breiten Publikum bekannt geworden, wirkte auch an TWIN PEAKS: THE RETURN mit und hatte bis zuletzt mit dem Red Room Orchestra Musik von David Lynch live aufgeführt. Badalamenti, Cruise, Lynch, del Rio: May they all rest in peace, and music.

Transparenzhinweis: Ralf Krämer gehört zum Kollektiv des Lichtblick-Kinos