Dieter Kosslick im Interview zur Sommer Berlinale Teil 1


Kurz vor Beginn der achten Sommer Berlinale im Freiluftkino am Friedrichshain hatten wir die Gelegenheit, uns mit Dieter Kosslick, dem Direktor der Internationalen Filmfestpiele Berlin, zu unterhalten. Im ersten Teil des Interviews verrät er auf was sich die Gäste besonders freuen dürfen, wie die Sektionsleiter die gezeigten Filme präsentieren und die nicht nur meteorologische Konkurrenz der Berlinale mit den Festspielen in Cannes und Venedig…

Herr Kosslick, die Sommer Berlinale geht im Freiluftkino Friedrichshain in seine achte Runde. Worauf dürfen sich die Gäste freuen?
Dieter Kosslick:
Vielleicht auf eine Premiere: Nämlich, dass es zum ersten Mal bei der Sommer Berlinale nicht regnet. Wir hatten da öfter Pech, obwohl die treuen Zuschauer dann doch immer da waren. Es herrscht immer eine tolle Atmosphäre in Friedrichshain, wo jeder Sektionsleiter und jede Sektionsleiterin noch einmal seine Highlights präsentieren darf. Wir fangen am Freitag mit einem deutschen Film an, der bei der Perspektive Deutsches Kino zu sehen war: „Renn, wenn du kannst“ von Dietrich Brüggemann, der von Linda Söffker, der neuen Sektionsleiterin präsentiert wird. Eine sehr intelligente Komödie. Aus dem Wettbewerb zeigen wir noch einmal den Gewinner „Bal“, aber auch „Händelse Vid Bank“ (von Ruben Östlund (Schweden)), den Gewinner des Goldenen Bären bei den Kurzfilmen. Ein sehr interessanter Beitrag über einen Raubüberfall.

Dazu auch Filme aus dem Panorama und dem Forum…
Kosslick:
Im Panorama hat der Film „Son Of Babylon“ großes Aufsehen erregt. Schon wenn man hört, welche Länder den Film ko-produziert haben, kann man sich seinen Teil denken: Irak, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, palästinensische Gebiete, Vereinigte Emirate, also alle, die sich normalerweise nicht so wohlgesonnen sind, sind hier friedlich vereint, um diesen unglaublichen „Son Of Babylon“ zu produzieren. Den sollte man auf keinen Fall verpassen. Im Forum war „Winter’s Bone“ ein Liebling der Berlinale von Debra Granik. Ich hoffe, dass all die, die wegen der Kälte nicht aus dem Haus gekommen sind, nun nach Friedrichshain kommen.

Welche Bedeutung hat der Sommer-Ausflug für das Festival? Ist er ein Dankeschön an die Berliner?
Kosslick:
Es ist ja nicht immer witzig bei einem Festival in der Kälte rumzustehen und sich darüber zu ärgern, wie viel besser es die Kollegen in Cannes und Venedig haben. Für uns ist es toll, gemeinsam mit Radio eins und den Leuten vom Freiluftkino Friedrichshain diese Initiative ins Leben zu rufen. Die Veranstaltung ist auch als Hinweis darauf zu verstehen, dass die Berlinale das ganze Jahr über weltweit im Kino präsent ist. So können wir zum einen also dem Publikum danken und zum anderen das Publikum auch an die Berlinale erinnern. Vielleicht war auch der ein oder andere Skifahren. Übrigens hat sich diese Sommer-Initiative erweitert und es gibt in diesem Jahr auch Sommer-Berlinalen in Köln und Nürnberg. Berlinale-Filme überall. „Bal“ kommt zwar auch im August in die Kinos, aber ein Freiluftkino ist etwas Besonderes, wenn es warm ist und über einem die Sterne am Himmel funkeln.

Wie gehen die Sektionsleiter, an die Einführung ihrer jeweiligen Filme heran?
Kosslick:
Dieses Programm ist für uns ein Memory-Spiel. Wir haben diese Filme vor einem Jahr gesehen und gehen noch mal zurück a lá „Beam Me Back Scottie“ und erinnern uns an diese. Diese Erinnerungen sind bei mir sehr präzise. Gerade an den Kurzfilm „Händelse Vid Bank“. Wie toll der gemacht ist… Wir erzählen einfach, wie wir an diesen Film gekommen sind und erklären Zusammenhänge. Ich glaube das ist für viele interessant. Und heute wissen wir, wie diese Filme bei Publikum und Kritik ankommen. Um bei diesen Temperaturen einen Begriff aus dem Eiskunstlauf zu entleihen: Für uns ist das Kür und nicht Pflicht. Der Druck ist weg, wir wissen, dass diese Filme gut ankommen und wir dem Publikum tolle Filme zeigen werden.

Berlin ist nicht kalt, die Berlinale ist cool.

Im Gegensatz zu den beiden großen europäischen Konkurrenten Cannes und Venedig kämpft die Berlinale mit dem Februar-Termin gegen Schnee und Kälte anstatt Sonnenbrand. Wie macht die Berlinale ihr meteorologisches Handicap wett?
Kosslick:
Ich habe das mal vor ein oder zwei Jahren bei einer Eröffnung gesagt: Berlin ist nicht kalt, die Berlinale ist cool. Das ist zwar witzig, aber in diesem Jahr war es wirklich kalt. Ich erinnere mich an den Freitagabend, als wir am Brandenburger Tor „Metropolis“ bei -15 Grad vorgeführt haben, aber dann doch über 2.000 Berliner und Besucher auf den Pariser Platz kamen und sich das Spektakel angeguckt haben. Wir versuchen einfach freundlich und herzlich zu den Gästen zu sein. Es sind immerhin 4.000 Journalisten und 20.000 Gäste hier. Wir haben in diesem Jahr auch mit fast 300.000 verkauften Karten wieder einen Zuschauerrekord aufgestellt. Wir versuchen das Handicap mit „der Wärme des Herzens“ auszugleichen, um es prosaisch auszudrücken. Ganz können wir das nicht, wenn es mit dem Eis so kommt wie in diesem Jahr und viele auf die Nase fallen. Wir können nicht zurück in den Sommer, wo die Berlinale früher einmal war. Unser Platz ist im Februar, da kommen wir im internationalen Festival-Kalender auch nicht drum herum.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie die großen Arthouse-Produktionen deren internationale Premiere in Berlin zu feiern?
Kosslick:
Das ist nicht so schwierig. Die Leute wissen um die Bedeutung der Berlinale, die neben großen Hollywood-Produktionen, ein Arthouse-Festival ist. Gerade, wenn ich mir die Menge der Filme ansehe, die wir programmieren und die Berlinale auch eine Marketing-Plattform ist. Durch unseren großen europäischen Filmmarkt werden viele der Filme hier verkauft. Nicht zu vergessen, dass über 200 Filmfestival-Direktoren vor Ort sind und ihre Festivals weltweit programmieren. Diese Filme werden auf jeden Fall in der Welt gezeigt werden und finden vielleicht den Weg ins Kino, wo sie auch erfolgreich sind. Ich möchte an den peruanischen Film „La Teta Asustada“, der den Goldenen Bären gewonnen hat erinnern, der nicht nur erfolgreich im Kino war, sondern auch noch für den Oscar nominiert wurde. Das muss man sich mal vorstellen: Ein peruanischer Film! Mit den Journalisten, dem Publikum, den Fachbesuchern und der internationalen Programmierung auf Filmfestivals haben wir genügend Argumente.

Freut euch auf den zweiten Teil des Gesprächs mit Herrn Kosslick, in dem er auf andere Filmfestivals in Deutschland und in Berlina eingeht, der am Wochenende folgt…

Die Fragen stellte Denis Demmerle.