„Cemetery Of Splendour“ von Apichatpong Weerasethakul



Diese Inhaltsangabe ist jedoch nur die grobe Rahmenhandlung, innerhalb derer sich die langsam erzählte Geistergeschichte entfaltet. Die Faszination entspringt vielmehr aus den poetischen Kameraeinstellungen, welche den metaphysischen und spirituellen Grenzgang in naturalistische Bilder fassen. Die langen Totalen und ein sehr spärlicher Einsatz von Kamerafahrten oder Nahaufnahmen verleihen jedem Bild eine besondere Bedeutung. Viele Details der Geschichte werden dabei im Unklaren gelassen und offenbaren sich in Form von skurrilen, fremdartigen Momenten. So schauen sich Jen und Itto in einer Szene eine absolut absurde B-Movie Montage in einem Kino an, bevor sie sich zusammen mit dem Rest des Publikums vor der schwarzen Leinwand erheben und stillschweigend stehen bleiben. In einer anderen Szene erkundigt sich ein Patient in der Kantine des Krankenhauses bei seinen Tischnachbarn nach ihrem Urteil über das Essen, bevor er plötzlich mit dem Gesicht in seinen Teller fällt und wieder in sein Krankenbett getragen wird.

Der Übergang zwischen den Visionen und der natürlichen Gegenwart gestaltet sich subtiler als in „Uncle Boonmee“. So erscheinen keine rotäugigen affenähnlichen Monster oder befremdlichen Sexszenen zwischen einer Prinzessin und einem Katzenfisch. Vielmehr gliedern sich die Erscheinungen fließend in die Umwelt ein und es lässt sich mit fortschreitender Laufzeit immer schwerer ausmachen, in welcher Erzählebene wir uns gerade befinden. Der Film spielt in einer Halbwelt, in der übernatürliche Erscheinungen ohne Erklärung und ohne das Erstaunen der Protagonisten auftauchen und wieder verschwinden. In einem belebten Park begegnet Jen zwei Prinzessinnen aus dem Schrein eines Tempels, die sich zu ihr an den Tisch setzen. Sie sind in menschlicher Form erschienen und in Alltagskleidung gehüllt und erklären ihr, dass das Krankenhaus auf einer alten Grabstätte von Königen steht und diese den Soldaten ihre Lebensenergie entziehen. In einer brillanten Traumsequenz werden nächtliche Straßenaufnahmen der Stadt in die wechselnden Neonfarben der Leuchtröhren neben den Krankenbetten getaucht. Auch die gesellschaftlichen, institutionellen und wirtschaftlichen Faktoren Thailands werden nicht ausgeblendet, sondern scheinen immer wieder durch die Oberfläche hindurch. Die Baustelle eines Glasfaserunternehmens neben dem Krankenhaus wird dieses bald von seinem Standort verdrängen. Das Medium Keng arbeitet neben ihrer Tätigkeit im Krankenhaus bei einem Kosmetikverkauf für ältere Damen, der an Kaffeefahrten für Rentner erinnert. Jen erinnert sich an die Bombenangriffe von Laos in ihrer Kindheit und hat eine Beziehung zu einem US-amerikanischen ehemaligen Soldaten, den sie über das Internet kennengelernt hat.

Wie in Weerasethakuls vorherigen Werken „Tropical Malady“ und „Uncle Boonmee“ wird auch hier nie ganz klar wird, worum es geht und was gerade genau passiert. „Cemetery Of Splendour“ vermischt Geschichten, Träume, Legenden und die scheinbare Realität zu einem berauschenden Werk, welches offen für die assoziative Interpretation des Zuschauers bleibt.

Cemetery Of Splendour“ (OT: „Rak ti Khon Kaen„), Regie: Apichatpong Weerasethakul; DarstellerInnen: Jenjira Pongpas, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram, Petcharat Chaiburi; Kinostart: 14. Januar 2016

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