66. Berlinale: „Boris sans Béatrice“ von Denis Côté


Béatrice leidet wegen Boris an schweren Depressionen und Melancholie. Copyright: Metafilms

Béatrice leidet wegen Boris an schweren Depressionen und Melancholie. Copyright: Metafilms

Allein und wütend unter Frauen

Umgeben von endlosen Wäldern, auf einem abgelegenen Anwesen, in einem lichtdurchfluteten Schlafzimmer liegt eine Frau im Bett und hat sich aus ihrem eigenen Leben ausgesperrt. Die meiste Zeit schläft sie, ansonsten blickt sie teilnahmslos ins Leere. Nur selten spricht sie, und wenn doch, ergibt es keinen Sinn. Schwere Depression und Melancholie lautet die Diagnose für Béatrice, die vor ihrer Erkrankung einst eine angesehene Politikerin war.

Béatrice ist nicht die zentrale Figur in Denis Côtés bildgewaltigem Mystery-Drama, aber der entscheidende Link und Aufhänger für die schonungslose Charakterstudie zu ihrem gefühlskalten und arroganten Ehemann Boris. Als erfolgreicher Unternehmer und knallharter Karrierist hat Boris jegliche Wärme für seine Mitmenschen verloren und glaubt stattdessen, die ganze Welt habe sich gegen ihn verschworen. Doch was zunächst als nachvollziehbare Konsequenz von Béatrices schlechter Verfassung eingeführt wird, erweist sich stattdessen sehr bald als Ursache für ihre psychischen Qualen. Zumindest, wenn man dem mysteriösen Fremden glaubt, der Boris mitten in der Nacht zu einem Treffen im Wald bestellt, um ihn mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten und den verheerenden Konsequenzen für Béatrice zu konfrontieren.

Wer Denis Côtés letzten Spielfilm und Wettbewerbsbeitrag „Vic + Flo ont vu Un ours kennt, wird bei „Boris sans Béatrice“ vermutlich mehrere qualitative Sprünge ausfindig machen können. Zwar ähnlich klaustrophobisch fotografiert und abermals in eine massive Waldkulisse eingebettet, hat Côté dieses Mal jedoch auf holzhammerartige Gewaltszenen verzichtet und damit Platz für einen sauberer gezeichneten Plot geschaffen. Umso feingliedriger und subtiler sind daher auch die beklemmenden Spannungssequenzen, die Boris im Rahmen seiner schrittweisen Läuterung kontinuierlich mit Paranoia und Verfolgungswahn aufladen. Einzig zu beanstanden bleibt, dass vor allem die surrealen Arrangements von nächtlichen Waldgesprächen bei Scheinwerferlicht mit einem kleinwüchsigen Antagonisten alles andere als originär daherkommen. Stattdessen muten sie wie die Signatur eines frühen David Lynch an, bei dem Côté sich offenbar eine Spur zu großzügig bedient und damit seine eigene stilistische Ausdruckskraft hinten angestellt hat.

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