„Human, space, time and human“ („Inkan, gongkan, sikan grigo inkan“) von Kim Ki-duk


"Human, Space, Time and Human" von Kim Ki-duk feiert seine Premiere im Berlinale Panorama 2018. © Kim Ki-duk Film

„Human, Space, Time and Human“ von Kim Ki-duk feiert seine Premiere im Berlinale Panorama 2018. © Kim Ki-duk Film

Zyklus der Gewalt

Seinem Ruf treu bleibend, ging dem südkoreanischen Regisseur Kim Ki-duk vor der Präsentation seines neuen Films auf der diesjährigen Berlinale ein Skandal um seine Person voraus. Die Sektion Panorama wählte „Human, space, time and human“ für ihre Eröffnung und richtete damit die Weltpremiere des in gewohnter Manier provokanten und sperrigen Werkes des Regisseurs aus. Kim wurde von einer Schauspielerin beschuldigt, sich physisch und sexuell an ihr vergriffen zu haben. Ihr eine Ohrfeige gegeben zu haben, räumt der Regisseur ein, und er wurde inzwischen zu einer Geldstrafe deswegen verurteilt. Sexuelle Übergriffe weist er von sich, das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt. Anlässlich des Berliner Auftrittes gab es in Korea Protestkundgebungen. In der Pressekonferenz zum Film, an der Kim gemeinsam mit zwei seiner Hauptdarsteller teilnahm, nahm Kim schließlich indirekt Bezug auf die Vorwürfe, indem er sichtlich geknickt bat: „Bitte schließen Sie von meinen Filmen nicht auf mich.“

Im Falle seines aktuellen Werks „Human, space, time and space“ wäre dies in der Tat eine arg pessimistische Auslegung. Kim inszeniert eine grausame und fatalistische Parabel über den Menschen, sein Gewaltpotenzial, über Macht und Gewalt. Auf einem ehemaligen Kriegsschiff soll eine Gruppe von Menschen verschiedener Sozialklassen eine Reise unternehmen, deren Ziel und Inhalt nicht bekannt werden. Anwesend sind ein Senator und sein Sohn, eine Gruppe von gewaltbereiten Schlägern, Prostituierte, Liebespaare und andere Personen, die im Wesentlichen der unteren Mittelschicht zugeordnet werden können. Erste Spannungen entstehen, als auffällt, dass der Politiker und sein Sohn eine Sonderbehandlung mit besserem Essen und besserer Unterkunft erfahren. Als ihr Beschützer und Wortführer tritt ungefragt der Kopf der Schlägertruppe hervor. Geschmeichelt lässt der Senator dies zu, während sein Sohn dem Ganzen skeptisch entgegensieht.

Nach nur kurzer Zeit reiht sich eine Gewalttat an die andere. Zwei der anwesenden jungen Frauen werden von verschiedenen Männern gleichzeitig und nacheinander vergewaltigt. Eva, die frisch vermählte Japanerin, wird das besondere Objekt der Begierde des Clananführers, des Senators und gleichzeitig seines Sohnes. Ihren Mann, der sich versucht zu wehren, „entsorgen“ sie kurzerhand über Bord. Die Gewaltspirale nimmt fortan ihren Lauf und die Situation spitzt sich weiter zu, als das Meer plötzlich verschwindet und sich um das Schiff Himmel ausbreitet. Die Machtverhältnisse verschieben sich, der Kampf ums Überleben fordert eine neue Organisation und setzt die üblichen Konventionen und Regelungen des sozialen Zusammenlebens außer Kraft. in diesem ganzen Schlachtfeld, in dem die Lebensmittelvorräte schwinden, sich die Menschen gegenseitig verletzen und töten, funktioniert ein sonderbarer, alter Mann als Ruhepol. Er sammelt in allen Ecken des Schiffs Erde und Schmutz ein und pflanzt in sorgfältiger, systematischer Fleißarbeit Gemüse und Obst. Ganz als ob er von einem übergeordneten Plan für die Zukunft wüsste.

Der alte Mann spricht nicht. Er wirkt wie ein Weiser mit Kenntnissen des Übernatürlichen. In diesem Gefüge könnte er die Rolle einer Art Gott übernehmen, der die Menschen kennt, aber nicht über sie urteilt, weil er weiß, dass sie nichts für ihr Verhalten können. Daher legt er die Saat, damit die Menschheit weiter bestehen bleibt. Kim selbst bezeichnet seinen Film als komprimierte Darstellung der Menschheitsgeschichte. Er wolle den Zyklus der Natur aufzeigen, ohne spezifisch Schuldgefühle zu formulieren. Der Film lässt allerdings verschiedene Interpretationen zu und gibt mit Sicherheit gewichtige Denkanstöße. Zum einen stellt sich die Frage, woher das Böse und Gewalttätige des Menschen kommt. Steht es in den Genen vorgeschrieben? Wächst es aus dem sozialen Umfeld heraus? Oder sind unsere Handlungen durch eine kosmische Übermacht bestimmt, die den freien Willen ignoriert?
Kims Haltung wirkt fatalistisch. Er räumt dem Menschen keine Chance ein, sich gegen den Lauf der Natur zu wehren, die einzig den Erhalt der Menschheit vorsieht. Das männliche Geschlecht kommt in „Human, space, time and human“ sehr schlecht weg. Keiner der Charaktere, außer dem alten Mann, ist fähig, über die Befriedigung seiner eigenen Triebe hinaus Entscheidungen zu treffen und Solidarität zu zeigen.

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