„Der Goldene Handschuh“ von Fatih Akin



Der versuchte Spagat zwischen der schaulustigen Zelebrierung von harten Gewalttaten und derbem Humor hält zu Beginn noch die Waage und konfrontiert mit der Frage, ob es angemessen sei zu lachen oder nicht. Aber spätestens nach einem unmotiviert eingeflochtenen abstinenten Resozialisierungsversuch von Honka – der selbstverständlich scheitert – verliert der Film den Charme und Witz des titelgebenden Trinklochs vollkommen aus dem Blick. Stattdessen drängen sich die nachdrücklich dargestellten Morde und Fantasien der Hauptfigur in den Mittelpunkt, stets untermalt von dem kitschigen Schlager „Es geht eine Träne auf Reisen„. Es scheint, als ob Akin damit bewusst anecken und die Toleranz seines Publikums strapazieren wolle. Doch die Rahmenhandlung mit den offensichtlich überzeichneten Zerrbildern der tragischen Gestalten verhindert, dass die fiktive Brutalität einen ernsthaft verstörenden Eindruck hinterlassen kann.

Angesichts dessen ist es umso verwunderlicher, mit welcher Genauigkeit die Handlungen und die Ausstattung dem Fall des echten Fritz Honka nachempfunden sind. Sowohl das Vorgehen des Serienkillers, als auch die Einrichtung seiner Dachgeschosswohnung, an deren Wänden hunderte Pin-Up Bilder aus schmierigen Herrenmagazinen heften, orientieren sich sehr nah an dem „Vorbild“, welches Heinz Strunk für seine tragikomische Vorlage verwendet hat. Die Verfilmung ist jedoch nicht an einer ernsten Auseinandersetzung mit dem Täterprofil und den Taten an sich interessiert. Damit wird die Gelegenheit verpasst, sich mit einem derart drastischen Sujet an Einblicken in die Attraktion des Widerwärtigen zu versuchen, wie dies John McNaughtons reflexivem Klassiker „Henry: Portrait of a Serial Killer“ (1986) oder der vor einigen Jahren wiederentdeckten österreichischen Underground-Überraschung „Angst“ (1983) von Gerald Kargl gelungen ist.

Was vom „Goldenen Handschuh“ bleibt, ist ein unsympathisches Mischwerk, dessen einzelne Teile nicht so recht zueinander passen wollen. Vielmehr untergraben sie sich gegenseitig: Ein souveränes Kiezportrait, gespickt mit amüsanten Kalauern und Zoten in bester Studio Braun-Manier. Aufgesetzte Provokationsversuche, die durch die überspitzten Figuren nicht die nötige Härte erreichen, um tatsächlich zu schockieren. Und eine ungelenke Teenie-Geschichte, die ins Leere läuft.

Henning Koch

Der Goldene Handschuh„, Regie: Fatih Akin, DarstellerInnen: Jonas Dassler, Margarethe Tiesel, Katja Studt, Marc Hosemann, Tristan Göbel, Uwe Rohde, Hark Bohm, Victoria Trauttmansdorff, Kinostart: 21. Februar 2019

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