70. Berlinale: „Effacer l’historique“ (engl. Titel: „Delete history“) von Benoît Délepine und Gustave Kervern – Silberner Bär
Für dieses Dreiergespann beginnt eine ungewöhnliche Odyssee, um an seine Daten zu kommen. Mit der fast rührenden Naivität einer vor-digitalen Generation versuchen sie, sich über das persönliche Vorsprechen in Ämtern oder einer Telefonhotline für ihr Anliegen durchzufragen – bis es klar wird, dass ihnen nur Gott allein helfen kann. Das ist ein Hacker, der sich in einer Windturbine versteckt. Der kann ihnen allerdings nur mitteilen, wo sich die Server befinden, auf denen die Videos gespeichert sind. Daher fährt Betrand in die Karibik und Marie zu Google in die USA. Keiner von ihnen kommt aber gegen das universelle Monster Google-Facebook-Amazon an.
Die Regisseure berichten, dass sie die Inspiration zu diesem Film aus den eigenen Erfahrungen und Misserfolgen mit der digitalen Welt geschöpft haben. Entstanden ist eine Sammlung vieler verschiedener Ideen von absurder Komik gespeist, die zu einem dichten Bogen zusammengeführt sind und den einen oder anderen Zuschauer an eigene Erlebnisse mit dem Digitalen erinnern wird. Mit „Effacer l’historique“ schließen Délepine/Kervern an die Radikalität ihrer frühen Filme wie „Louise-Michel“ an, die stellenweise die Grenze zur Geschmacklosigkeit streift, insbesondere wenn es um Fäkal- oder sexuell motivierten Humor geht.
Mit dem Film spielen die Autoren explizit auf die Gelbwesten-Bewegung an. Ihre Außenseiter sehen sie als Abgehängte der Gesellschaft, als Wegrationalisierte, Arbeiter, die durch moderne Technik ersetzt worden sind. In diesem Fall sei es das Internet, das die Protagonisten nicht beherrschten, aber das sei auswechselbar und jeder könne früher oder später in diese Lage kommen. Ob nun die politische Botschaft dermaßen schlüßig ist, sei dahingestellt. Es bleibt eine unterhaltsame Auseinandersetzung mit dem Thema, die dank der fähigen Darsteller, Denis Podalydès, Blanche Gardin und Corinne Masiero, zusätzlich sehenswert ist. Die ganze Riege der französisch-belgischen Schauspieler, die das eine oder andere Mal mit den Regisseuren zusammengearbeitet haben, tritt in kleinen, aber besonders eindrücklichen Rollen auf. Neben Benoît Poelvoorde und Bouli Lanners zeigt sich auch Michel Houellebeq.
Teresa Vena
„Delete history“ („Effacer l’historique„), Regie: Benoît Délepine, Gustave Kervern, Darsteller: Denis Podalydès, Blanche Gardin, Corinne Masiero, Benoît Poelvoorde, Bouli Lanners, Michel Houellebeq
Bei der 70. Berlinale gewann der Film einen Silbernen Bären, den Spezial Preis der Jury.