71. Berlinale: FOREST – I SEE YOU EVERYWHERE von Bence Fliegauf
Fliegaufs Filme sind immer als Herausforderung an die Zuschauer zu verstehen, sich intensiv mit dem Gezeigten auseinanderzusetzen. In der losen Struktur und bedrückenden Düsterkeit zeigen sich Parallelen zu seinem Film DEALER, mit dem ihm 2004 der Durchbruch in Arthouse-Kreisen gelang. Seitdem wurde sein Werk von Kritikern mit zahlreichen prominenten Namen der Filmgeschichte verglichen, allen voran mit seinem Landsmann Béla Tarr oder Andrei Tarkowski. In seiner stilistischen Strenge und erzählerischen Kompromisslosigkeit, die so vor allem auch im Frühwerk von Michael Haneke (DER SIEBENTE KONTINENT) zu finden ist, zeigt sich eine unterkühlte und berechnende filmische Intelligenz, die mit Sicherheit nicht jede*r Cineast*in zu gefallen weiß.
FOREST – I SEE YOU EVERYWHERE will die Fragilität der zwischenmenschlichen Beziehungen und die Unberechenbarkeit des menschlichen Handelns offenlegen. Die Episoden werden nicht direkt miteinander verknüpft, sondern stehen getrennt nebeneinander. Auf den ersten Blick mag dies als triste filmische Herangehensweise erscheinen. Doch in dieser fragmentarischen Gestaltungsweise ruht auch eine ungebändigte Faszination, mehr über die Figuren erfahren zu wollen. Warum tun sie, was sie machen? Wie wirken ihre Handlungen aus einem anderen Blickwinkel? Einfache Lösungen oder Erklärungen werden dabei nicht geliefert. Aber genau durch diese Neugierde ist der Film letztendlich auch lebensbejahend. Sollten wir abseits der Leinwand (oder des Bildschirms) nicht auch genauer hinschauen, statt den Blick abzuwenden? Auch dann, wenn es dabei unbequem wird?
FOREST – I SEE YOU EVERYWHERE ist ein existentialistisches Kaleidoskop des menschlichen Daseins, vor allem aber ein starkes Stück Kino.
Henning Koch
FOREST – I SEE YOU EVERYWHERE, Regie: Bence Fliegauf, Darsteller*innen: Juli Jakab, Lázló Cziffer, Lilla Kizlinger, Zsolt Végh, István Lénárt, Eszter Balla, Natasa Kovalik, Ági Gubik, Mihály Vig, Felicián Keresztes, Eliza Sodró, Terence Gábor Gelencsér, János Fliegauf, Péter Fancsikai, Zoltán Pintér, Laura Podlovics