74. Berlinale: DES TEUFELS BAD von Veronika Franz und Severin Fiala


DES TEUFELS BAD © Ulrich Seidl Filmproduktion : Heimatfilm
DES TEUFELS BAD © Ulrich Seidl Filmproduktion : Heimatfilm

Fremd im eigenen Leben

Oberösterreich – Mitte des 18. Jahrhunderts. Eine junge Frau wird verheiratet. Das ganze Dorf feiert. Doch fühlt sich Agnes (Anja Plaschg) auf ihrer eigenen Hochzeit wie auch in der anschließenden Nacht wie ein Fremdkörper. Wolf, ihr Mann (David Scheid), ist freundlich, scheint aber sonst kein tiefergehendes Interesse an seiner jungen Braut zu entwickeln. Zur Belastung wird dagegen schon bald die Schwiegermutter (Maria Hofstätter), die keine allzu hohe Meinung von der empfindsamen Agnes zu haben scheint, jede ihrer Handlungen mit misstrauischen bis abwertenden Blicken begleitet und sich auch nicht scheut, dem jungen Paar vorzuschreiben, wie sie in ihrem Haus zu leben haben.

Je weniger sich Agnes in die für sie vorgesehene Rolle fügen kann, desto stärker erfährt sie Ablehnung, desto verzweifelter und verunsicherter handelt sie. Agnes wünscht sich ein Kind, doch macht Wolf keinerlei Anstalten, seinen Beitrag zu leisten. Eine Frau aus dem Dorf, die keine Kinder bekommen kann, wird von der Schwiegermutter abschätzig behandelt. Als ein Nachbar, der mutmaßlich ein homosexuelles Verhältnis zu Wolf unterhielt, den Freitod wählt, wird ihm, so sind die Regeln, ein kirchliches Begräbnis verwehrt. Seine unsterbliche Seele gilt als verloren.

Agnes, ohnehin frommer als ihre Mitmenschen, verfällt zunehmend in eine Melancholie. Für die Dörfler befindet sie sich im Bad des Teufels. Als sie keinen Ausweg mehr sieht, sucht sie die Flucht in eine Katastrophe.

Der österreichische Wettbewerbsbeitrag DES TEUFELS BAD, eine erneute Zusammenarbeit des Regieduos Veronika Franz und Severin Fiala (u.a. ICH SEH ICH SEH, 2014), das auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, lässt am tragischen Ausgang der Geschichte von Anfang an keinen Zweifel. Grundlage des Films sind Gerichtsprotokolle aus dem Jahr 1750, auf die Franz und Fiala durch die amerikanische Historikerin Kathy Stuart aufmerksam gemacht wurden. Diese hat umfangreiche Forschungen zu einem Phänomen der frühen Neuzeit vorgelegt, das man als Selbstmord durch Hinrichtung bezeichnen könnte.

Im 17. und 18. Jahrhundert gab es zahlreiche Mordfälle, bei den sich der oder die Täter_in anschließend den Behörden stellten, um für ihre Tat zum Tode verurteilt zu werden. Da ihnen vor der Hinrichtung noch die Beichte abgenommen wurde, konnten sie auf diese Weise aus dem Leben scheiden ohne mit dem Freitod die ewige Verdammnis zu riskieren. Als Opfer wählten sie überwiegend Kinder, die in ihren Augen noch unschuldig waren und somit durch den Mord direkt den himmlischen Heerscharen zugefügt wurden. Allein für den deutschsprachigen Raum sind mehr als 400 solcher Fälle belegt.

Franz und Fiala hatten ursprünglich geplant, ihr Drama als Gerichtsthriller zu inszenieren, begannen dann aber, sich für die inneren Zustände ihrer Hauptfigur zu interessieren. Über die Protokolle lernten sie in Agnes einen Menschen kennen, über den man sonst in der Geschichtsschreibung wenig erfährt. Auch die Lebensumstände in der dörflichen Gemeinschaft – Rituale, Zwänge, Dogmen, gesellschaftliche Konventionen – treten dort zutage und werden von den Filmemachern bemerkenswert präzise rekonstruiert.

Agnes lebt schon vor der Tat in einem sozialen Gefängnis, aus dem ihr Wolf, der auf seine Art ja auch ein Gefangener der Umstände ist, nicht heraushelfen kann. Das Setting des Films mag vormodern sein. Der Leistungs- und Sozialdruck, unter dem beide Hautfiguren stehen – Agnes allerdings viel mehr als Wolf – dürfte aber auch einem heutigen Publikum nicht ganz fremd sein. So ist auch Depression ein Krankheitsbild, das erst in jüngster Zeit eine zunehmende Aufmerksamkeit erfährt, in weiten Teilen der Gesellschaft aber nach wie vor zu Ablehnung und Ausgestoßensein führt und nicht selten in der persönlichen Tragödie endet.

Spätestens im letzten Drittel offenbart DES TEUFELS BAD dann seine wahre Natur als Horrorfilm, ohne allerdings der klassischen Dramaturgie des Genres zu folgen. All die Grausamkeiten, die Agnes widerfahren, sind eben nicht dem Geist einer Autorin oder eines Autors entsprungen, sondern historisch belegt.

Visuell (Kamera: Martin Gschlacht) wechseln sich zu Beginn des Films noch Vanitasmotive mit Bildern großer Zärtlichkeit ab, in denen Agnes Liebe zur Natur zutage tritt. Letztere verschwinden allerdings nach und nach aus dem Film, bis das Scheußliche übernimmt. Anja Plaschg gibt als Agnes eine außerordentlich berührende Performance, wie auch die anderen Darsteller allesamt überzeugen. Plaschg, die als Musikerin unter dem Namen Soap & Skin bekannt ist, steuert neben ihrer Hauptrolle auch den unter die Haut gehenden Soundtrack des Films bei.

Weitere Termine bei der 74. Berlinale
Sonntag, 25.02., 16:00 Uhr, Berlinale Palast

DES TEUFELS BAD; von Veronika Franz & Severin Fiala; Darsteller_innen Anja Plaschg, David Scheid, Maria Hofstätter

Martin Gschlacht wurde bei der 74. Berlinale für seine Kameraarbeit an »Des Teufels Bad« mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet!