„90 Minuten – Das Berlin Projekt“ von Ivo Trajkov


Der junge Schauspieler Sebastian jagt seinen Mentor durch ganz Berlin. Foto: achtung berlin

Der junge Schauspieler Sebastian jagt seinen Mentor durch ganz Berlin. Foto: achtung berlin

Vergeltung im Kopf

Wenn wir nach Kurt Weill gehen, dann verhält es sich so: „the days grow short, when you reach september“. Ergänzen könnte man es dadurch, dass die Blockbuster dann im Schnitt länger werden. Es dauerte fast drei Stunden bis Naomi Watts King Kong ein Lebwohl zuwinkte. Terrence Malicks „The New World“ nahm 150 Minuten in Anspruch. Die Produktionshaltung „never mind the quality, feel the length“ soll wohl Tiefe und Schwere vortäuschen.  Nun haben wir aber Frühjahr und Ivo Trajkovs Streifen „90 Minuten – Das Berlin Projekt“ dauert eben knackige 90 Minuten. Mit dem Sendeformat ist er in bester Gesellschaft: „Easy Rider“ und „Annie Hall“ benötigen jeweils 94 Minuten. „Ich glaub’, ich steh’ im Wald“ braucht 92 und „Rambo“ gibt sich  gar mit übertrainierten 91 Minuten zufrieden.

Das Gute am 90-Minuten-Format ist, dass es dem Zuschauer nicht als Zeitverschwendung erscheint. Es ist die Länge von drei Folgen „Family Guy“ oder zwei Folgen „CSI„. Beide Serien sind nicht herausragend, aber man schaut sie sich halt eben ab und zu doch an. Soweit zu den Stärken von „90 Minuten – Das Berlin Projekt„. Kommen wir zu seinen Nachteilen oder besser gesagt dem Inhalt. Sebastian (Blerim Destani) ist ein attraktiver und aufstrebender Schauspieler, doch seit dem Tod seiner Freundin (Nicolette Krebitz) fällt es ihm schwer, seine künstlerischen Erfolge zu genießen. Für ihren Tod macht er seinen ehemals engsten Freund und Mentor (Udo Kier) verantwortlich. An ihm will er sich rächen.  Das klingt ein wenig nach einem Kung Fu-Vehikel, nur, dass der Schüler hier nicht Rache für sondern an seinem Meister nimmt – eine pauschaltouristische Berlinführung gibt es dank des einfallslos geratenen Setings auch noch mit dazu.

Sicherlich, Udo Kier ist immer sehenswert, aber hätte er nicht stattdessen in Tarsem Singhs „Schneewittchen“ mitmirken können – ganz gleich ob nun als Schneewittchen, böse Stiefmutter oder Prinz? Nicolette Krebitz wirkte bereits in „Kondom des Grauens“ und „Ausgerechnet Zoé“ mit, aber ihr schauspielerisches Talent konnte sie hier nur unter Beweis stellen, in dem sie über weite Strecken eine Tote, also für die Kamera nicht Existente mimte. Blerim Destani wirkte in „Die Wanderhure“ und „Ein Fall für Zwei“ mit. Da nimmt sich „90 Minuten – Das Berlin Projekt“ qualitativ nicht viel. Trotzdem gönnt man ihm mehr.  Man kann dem Streifen auf Grund des Blockbuster-Schnitts noch nicht einmal B-Movie-Qualitäten zusprechen – dann doch lieber drei Folgen „Family Guy„.

Joris J.

90 Minuten – Das Berlin Projekt“ Regie: Ivo Trajkov, Darsteller: Udo Kier, Nicolette Krebitz, Blerim Destani, Richard Sammel, Werner Daehn, Kinostart: 12. Juli 2012