„Across the River“ von Lorenzo Bianchini



Doch die so gut inszenierte Spannung und die daraus entstehende Erwartung wird nicht eingelöst: Zu lang spielt „Across the River“ das Versteckspiel, verbirgt den Horror, der den Naturforscher um den Verstand bringen wird. Immer wieder blonde Mädchenhaare, tropfendes Wasser, Alpträume, blutige Schlieren auf Laken und in den verlassenen Häusern. Der „moment of suspense“ dekonstruiert sich so selbst – vor allem , als sich die vermeintlich erschreckenden Horrorfiguren als ziemlich schlechte geschminkte und frisierte Schwestern im „The Ring„-Stil entpuppen, die ungefähr so erschreckend aussehen wie das abgegriffene Käthe Kruse-Spielzeug, das im Schrank der Eltern verstaubt. Auch die Geschichte der wildschwein-reißenden Schwestern kann dieses Enttäuschungsgefühl nicht mehr intellektuell entschädigen: Ein alter, unglaublich schlecht synchronisierter Mann aus dem Nachbardorf zeigt die hanebüchene Dorfchronologie auf einem verruckelten Videoband und macht damit letzte Hoffnungen auf erfüllendes Horrorkino zunichte.

Vielleicht ist es aber nicht einmal der unbefriedigenden Auflösung des Filmes geschuldet, dass „Across the River“ nicht überzeugen kann – vielleicht ist es bereits die viel versprechende Ausgangskonstellation, die das Scheitern in sich trägt. Die wunderbare Darstellung des Naturforschers, die die anfängliche Stimmung von „Across the River“ prägt, ist wie ein Sinnbild für die selbst gewählte, erfüllende Einsamkeit, die Menschen verzichtbar macht. Die plötzliche Neugier und Faszination des Forschers für die Dorfruine und die menschlichen Monster, die dort leben, erscheinen in diesem Zusammenhang nicht plausibel. Zumal der persönliche Horror des Forschers bereits mit dem Schrei in der Nacht eine reale Form erhält, die von der erschreckenden Anwesenheit anderer Menschen kündet – eine Manifestation des Horrors, die im Grunde nicht mehr erhöht werden kann und die so subtil und existentiell ist, dass sie sich visuell nicht in einen Horrorfilm übersetzen lässt. Zumindest nicht in „Across the River„.

Marie Ketzscher

Across the River„, Regie: Lorenzo Bianchini, Darsteller: Marco Marchese, Renzo Gariup, Lidia Zabrieszach

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