“König des Comics” von Rosa von Praunheim
Es kann nur mit Gold enden
Normalerweise zertrümmern Rosa von Praunheims Filme mit Genuss das Ersuchen von Zartgefühl in einer bürgerlichen Gesellschaft. Sie sind konvulsivisch, schrill, maßlos und verdammt schwul. Dabei scheint Praunheim dem Manierismus zu fröhnen wie die Heten dem Mammon. Doch gehen wir mit etwas Fingerspitzengefühl an diesen Begriff heran – er eignet sich nur zu gut, damit abgehakt zu werden. Manieristisch sind die Filme in dem Maße, wie sie die Naivität eines verlorenen, in der Moderne nicht mehr erlaubten Glücksverlangens für sich nur reklamieren, nicht aber mit ihm eins werden können. Auf der einen Seite führt Praunheim mit „König des Comics“ sein Werk fort, auf der anderen Seite bricht er auch mit ihm. „König des Comics“ ist Ralf König. Zu seinen bekanntesten Arbeiten dürfte „Kondom des Grauens“ und „Der bewegte Mann“ gehören. Letzterer wurde 1994 von Sönke Wortmann mit Til Schweiger und Joachim Król in den Hauptrollen verfilmt und avancierte innerhalb kürzester Zeit zum kommerziell zweiterfolgreichsten deutschsprachigen Film. Dabei ist König der Schwulenszene vor allem wegen seiner Arbeiten zum Thema Aids („Super Paradise“), Homoehe („Sie dürfen sich jetzt küssen“) oder Islamismus („Dschinn Dschinn“) bekannt.
Sein Zeichenstil ist denen der „Werner“ oder „Das kleine Arschloch“-Comics ähnlich, doch seine Geschichten sind lebensnahe, frivol, teilweise unglaublich versaut, manchmal traurig, aber im Schnitt sehr komisch. So wurde er 1992 zu Recht als „Bester deutscher Comic-Zeichner“ gekürt und 2006 für sein Engagement gegen Islamismus mit dem Max-und-Moritz-Preis geehrt. Bringen wir den leicht antiquierten Begriff der Inbrust ins Spiel, also jenen Begriff, mit dem man eine religiöse Ergriffenheit verbindet, die auch noch dem Ramsch der Kaufhauskunst seine eigentümlich sakrale Aura leiht und ihn mit devoten Bildern des Katholizismus verbindet. Beide, Praunheim und König stürzen sich mit urwüchsiger Liebe (zum Extrem) auf solche Embleme, die der sensibilisierte Bildungsbürger aus seinem Gesichts- und Dunstkreis verbannt zu haben glaubt. So verwundert es auch nicht, dass die Beiden einander mit sehr viel Respekt und Verständnis zu begegnen wissen. Ralf Königs Lebensgeschichte wird schon beinahe klassisch dokumentarisch aufgerollt. Es geht los mit seiner Kindheit in der westfälischen Provinz über sein Coming Out, bei dem er weinend auf dem Schoß seiner besten Freundin liegt. Danach wird der erste schwule Sex so geschildert, als wenn er den Kauf von Zigaretten wiedergibt.
Ja allgemein scheint Ralf König privat ein eher nüchterner Mensch zu sein. Freilich mit dem Hang zum Extremen, zeigt er aber stets die Fähigkeit, seine Ausschweifungen vollständig zu reflektieren. Mit seiner Liebe zu Köln und seiner nur unter Widerwillen eingegangenen Liaison mit Berlin lernt der Zuschauer einen leicht arroganten, ironischen und unglaublich lebenslustigen Menschen kennen, der innerhalb der Szene längst ein Idol ist und außerhalb dieser mittlerweile unter „in Ordnung“ verbucht wird. Ob er sich das mal so vorgestellt hat? Jedenfalls kommentierte Praunheim die Annahme seines Filmes bei der Berlinale mit „Momentan habe ich Durchfall, weil ich nach einer Erkältung das Antibiotikum nicht vertragen habe und eine beschissene Zeit zwischen den Jahren hatte. Sylvester im Bett, aber was scheisse anfängt, kann nur mit Gold enden.“
Joris J.
„König des Comics„, Regie: Rosa von Praunheim (Deutschland 2011), mit Ralf König, Joachim Król, Hella von Sinnen, Ralph Morgenstern
Kinostart: 23. Februar