„Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf


schwesternWährend die Ehe mit Charlotte historisch belegt ist, zeugt laut Graf nur ein einziger Brief von der amourösen Legende von Schiller und Caroline. Das Besondere hierbei ist, dass diese Liebe sich nicht nur unter den einverstandenen Augen von Charlotte vollzog, sondern in den ersten Jahren von allen Beteiligten als gleichberechtigte Dreiecksbeziehung gelebt wurde. Charlotte und Caroline liebten sich von Herzen – einem gegenseitigen Altruismus aufs Innigste verpflichtet, in dem selbst das Teilen eines Mannes möglich schien.

In diesem Zusammenhang seziert Graf präzise die eingangs erörterte Wahrnehmung von authentischer Liebe als eine überwältigende Kraft, die – so schien es damals – gewiss nicht jedem zuteil wurde. Auch Schiller als feingeistiger Exot seiner Zeit schien sich vor seiner Begegnung mit den Schwestern zu fragen, ob er zu solchen Gefühlen überhaupt imstande sei. Wer jedoch einmal von ihnen ereilt wurde, durfte ungebremst öffentlich schwelgen und leiden. Selbst Charlotte von Stein, die resolute und pragmatische Tante der beiden Schwestern, ergeht sich nach einer schriftlichen Zurückweisung von Goethe in einem lautstarken Anfall von Hysterie und Verzweiflung. Liebeskummer und Liebessehnsucht, heutzutage meist stumm und peinlich im stillen Kämmerlein oder im Kreise weniger Vertrauter ertragen, wurden als ernst zu nehmende Krisen zelebriert, die von Charaktertiefe zeugten.

Grafs Geschichte von gelebten Gefühlen in einer von Konventionen erstickten Zeit setzt einen harten, aber wohltuenden Kontrast zu unserer heutigen Gegenwart, in der sich viele zwar nach dem Ideal der romantischen Liebe verzehren, gleichzeitig jedoch um ihren Gesichtsverlust bangen müssen. Verheiratete Paare gelten oft als spießig und konventionell, wohingegen Singles als einsam und verzweifelt gebrandmarkt werden. „Es ist die Liebe, die die Welt im Innersten zusammenhält“, schrieb einst ein romantischer gestimmter Goethe. Die Liebe ist aber auch über alle Zeiten hinweg der Ausdruck einer Zerrissenheit zwischen Individualität und Gesellschaft, in der große Gefühle ihren Platz noch immer nicht gefunden haben.

Alina Impe

Die geliebten Schwestern„, Regie: Dominik Graf, DarstellerInnen: Hannah Herzsprung, Florian Stetter, Henriette Confurius, Claudia Messner, Ronald Zehrfeld, auf DVD ab 18. Februar 2015

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