„Canibal“ von Manuel Martín Cuenca



So Distanziert wie der Protagonist, bleibt auch die Kamera. Immer wieder lässt der Film Dinge im Dunkeln. Mit Raumstaffellungen, mit dem immer wieder kehrenden Blick durch Türrahmen und auf schmale Gänge malt der Film in häufig statischen und langen Einstellungen geradezu barocke Gemälde, die den Blick des Zuschauers präzise lenken. Cuenca wählt sehr genau was der Zuschauer sieht und was im Verborgenen bleibt. Dabei kommt die Kamera dem Protagonisten nur selten näher. Die vielen Totalen, die Aufsichten und eine häufige Versperrung der Sicht machen den Zuschauer zum Voyeur, zum Eindringling in Carlos Privatsphäre, ständig beobachtend, wie Carlos selbst.

Musik nutzt der Film ausschließlich diegetisch, umso lauter erscheint jeder Schritt, jede Bewegung, jede Berührung, jeden Moment scheint der Zuschauer als solcher auffliegen zu können. In vollkommener Stille sitzt der Mörder am Tisch. Ein Glas Wein, ein Stück Fleisch, es wirkt roh. Jede Berührung der Gabel ist hörbar, das Kauen, das Schmatzen des Fleisches, so abstoßend wie alltäglich. Der Film lässt seinen Zuschauer nicht mit seinem Protagonisten fühlen. Carlos’ apathischer, leerer Blick, seine Kühle und nicht zuletzt seine Obsession isolieren ihn nicht nur innerhalb der Diegese, sondern auch vom Zuschauer. Er scheint unnahbar, seine Handlungen sind nicht vorherzusehen.

So wird Spannung generiert und das Gefühl einer ständigen Bedrohung vermittelt. Durch die Wahl der Kameraeinstellungen, den Verzicht auf Musik und die fehlende Empathie für den Protagonisten wirkt CANIBAL zunächst etwas sperrig und entwickelt an einigen Stellen durchaus auch Längen. Diese schaden dem Film jedoch nicht im Geringsten. Viel mehr unterstützen sie seine Erzählweise und erzeugen eine Ruhe, die so wohl nur in der Einsamkeit zu finden ist.

Albert Knaub

Canibal„, Regie: Manuel Martín Cuenca, DarstellerInnen: Antonio de la Torre, Olimpia Melinte, María Alfonsa Rosso

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