„Dating Lanzelot“ von Oliver Rhis


Allein im Internet: Lanzelot, Foto: achtung berlin

Allein im Internet: Lanzelot, Foto: achtung berlin

Der Fleischer und das Schaf

Lanzelot. So manchem mag dieser Name wohl bekannt sein, nimmt er doch eine zentrale Rolle in den mittelalterlichen Artus-Romanen ein. Hier ist Lancelot (mit c  geschrieben) ein Ritter der Tafelrunde und neben König Artus selbst eine der prägendsten Figuren der Artus-Mythen. Und er hat als vom Schicksal geschlagener Held bis in die heutige Filmwelt hinein Widerhall gefunden. In John Boormans fantastischem Epos „Excalibur“ aus dem Jahr 1981 kommt ihm die Rolle des tragischen Helden zu, der sich, seinem König treu ergeben, in Guenevere verliebt, und damit eine Mitschuld am Niedergang der Tafelrunde trägt. Johne Cleese dagegen interpretierte Sir Lancelot charmant als kleinherzigen Trottel, der sich von seinem Barden besingen lässt und gerne Prinzessinnen retten würde. In „Die Ritter der Kokosnuß“ rettet er allerdings einen schwulen Prinzen und richtet auf dessen Hochzeit ein blutiges (und ungemein komisches) Gemetzel an.

Dass nun Oliver Rihs seinem Helden eben jenen Namen gibt, passt in gewisser Weise in die Vieldeutigkeit dieses Charakters. Lanzelot, gespielt von Peter Weiss, ist in Rhis´ Dating-Komödie einerseits ein strahlender und fast schon unschuldiger Held, der sich, entgegen seinem unsicheren Auftreten, mutig von Date zu Date kämpft. Andererseits ist Lanzelot (die Lanze im Namen deutet schon darauf hin) ein ungelenker Idiot, dessen Wesen sich ganz auf einen Sachverhalt reduziert: die Lanze zwischen seinen Beinen.

Es fallen einem viele Synonyme ein, mit denen sich Oliver Rihs´ unscheinbar daherkommende Sex-Komödie beschreiben ließe. Etwa die Stoßrichtung, mit der der in Männedorf (Schweiz) geborene Regisseur die rudimentäre Handlung vorantreibt. „Dating Lanzelot“ besteht letztlich nur aus lose miteinander verbundenen Szenen, die allerlei Sexpraktiken aufführen und den Helden in möglichst blamablen Situation zeigen. Das beginnt mit der Mutter mittleren Alters, deren verblasste Schönheit sie dazu nötigt, Männer auf einem schmutzigen Klo zu ficken, während das Balg vor der Toilettentür nach ihr schreit. Oder die etwas bieder anmutende Blonde, die sich als Sex-Vamp entpuppt und am liebsten in Rollenspiele verfällt – Lanzelot jagt sie (das Schaf) alsbald als Fleischer verkleidet in der Wohnung umher.

Oliver Rhis geht es in seinem Film primär jedoch nicht um Sex. Er reiht möglichst groteske Szenen aneinander. Das ist nun weder besonders verfänglich oder witzig, noch mag man ihm das in besonderer Weise ankreiden. Lanzelot und seine Gespielinnen sind in ihren Verhaltensweisen ins Absurde überdreht und sagen darum weder etwas über Sexualität oder das Internet-Dating, noch etwas über in Notstand geratene Single-Haushalte aus. Darüber hinaus erscheint die Geschichte eines urbanen Verlierertypen, der sich eine funktionierende Beziehung wünscht und in den antizipierten Untiefen des Internet-Datings verliert seltsam angestrengt und altbacken. Ist der Status Quo der Geschlechter mit dem Aufblühen der Social Networks nicht längst auf einer anderen Stufe angelangt? Viel schlimmer aber ist: Offen zur Schau gestellte Nacktheit ist in „Dating Lanzelot“ trotz des Themas ein unberührtes Gebiet. Woraus sich folgendes Paradoxon ergibt: Zwar wird ständig Sex gezeigt, dieser aber immer in derart entfremdeter und klinischer Form dargeboten, dass man sich fühlt, als würden die Teletubbies über Geschlechterspezifik referieren. Ist das nun mutig? Seichte und blödelnde Unterhaltung? Oder schlicht der biedere Humor eines Bildungsbürgers?

Martin Daßinnies

Dating Lanzelot Regie Oliver Rhis, Drehbuch: Jann Preuss, Darsteller: Peter Weiss, Manuel Cortez, Jule Böwe, Narges Rashidi, Elzemarieke De Vos, Kinostart: 30. August