„Demokraten“ von Levi Salomon


Der SPD Abgeordnete Frank Zimmermann (ganz rechts) unterwegs in eigener Sache. Foto: achtung berlin

Der SPD Abgeordnete Frank Zimmermann (ganz rechts) unterwegs in eigener Sache. Foto: achtung berlin

Politiker nah am Volk

Die 19jährige Susanne Graf ist im Spätsommer 2011 die einzige weibliche Kandidatin der Piraten für das Berliner Abgeordnetenhaus. Kurz vor der Wahl sitzt sie mit ihrem Freund Christopher Lang auf einer grünen Wiese und spricht darüber, wie groß ihre Angst ist, demnächst womöglich gewählte Politikerin zu sein. Christopher Lang, Bundessprecher der Piraten, nimmt sie daraufhin in den Arm und kommentiert schwülstig: „Du bist auch nur ein Mensch. Einer von vielen.“ – es menschelt in diesem Dokumentarfilm. Und das bis zur letzten Szene.

Levi Salomons Dokumentation „Demokraten“ sucht gezielt die persönliche Nähe zu fünf Protagonisten der vergangenen Berliner Landtagswahl und fängt damit kein politisches Klima sondern Typen ein, die sich mehr oder minder im Kontext ihrer Parteien verorten lassen. Neben der Piratin Susanne Graf sind das Frank Zimmermann (SPD), Klaus Lederer (Die Linke), Andreas Otto (Bündnis 90/Die Grünen) und Burkard Dregger (CDU). Fünf Politiker, die ausdrücklich keine Spitzenkandidaten der jeweiligen Parteien sind, sondern aus der Basis stammen, erfahren sind im Straßenwahlkampf, im direkten Kontakt mit dem Bürger stehen und die selbst noch mit anpacken indem sie zum Beispiel artig ihre Wahlplakate selber aufhängen.

Levi Salomon, der bis vor kurzem Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin war, widmet sich in 97 Minuten aber nicht nur der politischen Mission seiner Protagonisten. Frank Zimmermann etwa zeigt Salomon als einen in sich ruhenden Gemütsmenschen, der charmant auf die von ihm selbst gefertigte Kunst an den Wänden seines Büros hinweist und seine Freizeit als Häuslebauer und ehrlicher Epikureer verbringt. Burkard Dregger von der CDU dagegen wirkt so, wie man sich einen konservativen Politiker ausmahlt. Der 47jährige referiert über Wertegemeinschaften und nationales Selbstwertgefühl, präsentiert sich dabei als liebevoller Vater im Kreise seiner Familie und sieht sich mit seiner Arbeit auf einer Linie mit Parteigrößen wie Konrad Adenauer. An einigen Stellen des Films, etwa wenn Burkard Dregger mit seiner Familie einen Tag am See verbringt, fühlt man sich an die zahllosen Werbefilmchen erinnert, die dem Wähler vor einer Wahl das Bild des beständigen, aufrichtigen und engagierten Politikers einimpfen sollen.

Das ist auch die eigentliche Schwäche dieser ansonsten unterhaltsamen Dokumentation. Die direkte Nähe vermittelt zwar ein persönliches Bild der Person, die dort für ein Wahlprogramm einer Partei steht, sie hält aber zu künstlich an dem Prinzip fest, eine Nähe aufbauen zu müssen. Mag sein, dass Salomon mit dieser Prämisse die oft bemängelte Distanz von Politik und Wahlvolk aufbrechen wollte. Trotzdem wünscht man sich im Verlauf des Films mehr Distanz. Politik ist eben nicht nur Engagement und privater Idealismus eines einzelnen. Sie ist gleichwohl Machtspiel und andauernder Interessenkampf von vielen. Im Politiker vereint sich immer ein öffentlicher und privater Mensch, ein angenommener mit dem des „realen“ Charakters.

Martin Daßinnies