„Der Schaum der Tage“ von Michel Gondry
Dur- und Mollanteile
Das klitzekleine Moment überragt immer das große Ganze. Der sinnlich-romantisch getanzte Biglemoi, die satt-glückliche Übermüdung der Hochzeitsnacht – das sind die Bilder die Chloes und Colins Liebesgeschichte definieren, auch als sich der unbeschwerte Optimismus längst in bleierne Hoffnungslosigkeit verwandelt hat und das, obwohl sie sie selbst längst ad acta gelegt haben, zu den Scherben der verpassten Chancen. Die Flüchtigkeit der Dinge – sie ist das zentrale Thema der Literaturadaption „Der Schaum der Tage„, die Michel Gondry dieser Tage als furiose Absurditätsgewitter ins Kino bringt. A match made in heaven – wer außer Gondry hätte sich sonst dem Kultklassiker des französischen Skandalautoren Boris Vian aus dem Jahr 1947 annehmen sollen? Die surrealistische Liebesgeschichte, die nach ihrem Erscheinen schnell zum Kultklassiker der jüngeren Generationen avancierte, erzählt vom Müßiggang des wohlhabenden Colin (Romain Duris), der sich in die exzentrische Chloe (Audrey Tautou) verliebt. Der Verliebtheit folgt die Liebesheirat auf dem Fuß. Die rosa Wolke ist allerdings nicht von Dauer. Bei Chloe wird eine schwere Krankheit festgestellt, in deren Verlauf eine Seerose in ihrem Herzen wächst, die nur durch täglich ausgewechselte, frische Blumen geheilt oder abgemildert werden kann.
Gondry entwickelt den Plot mit viel Liebe zum Detail und eine hyperventilierende Übertreibung jagt die nächste – sei es das futuristische Eigenheim mit integriertem Tunnelsystem für die Maus, mit der Colin wie mit einem Vertrauten täglich kommuniziert, die Klingel, die als Metalkakerlake die Wände hoch läuft, um in tausend kleine Kakerlaken zu zerspringen, sobald sie mit dem Pantoffel zerschlagen wird, oder das interaktive Sternekoch-TV-Programm, das Colins Hausdiener und Freund Nicolas (herrlich überdreht: Omar Sy) für die Zubereitung der kulinarischen Extravaganzen benötigt, bei dem schon mal Handreichungen durch den Bildschirm getätigt werden. Die überragendste Idee ist dabei sicherlich der Pianococktail, eine Apparatur, bei der Klavier und Cocktailmixanlage verbunden sind und sich die Zusammensetzung des fertigen Drinks nach den Dur- und Mollanteilen richtet. „Moll schmeckt traurig und Dur schmeckt nach Calvados und Sonne“, bemerkt dann auch Chick, Colins bester Freund, als er ihn spielt.