„Der Schaum der Tage“ von Michel Gondry


Vielleicht ist der Vian-Leser hier im Vorteil, denn für den unbelesenen Zuschauer sind all diese herrlichen Kreationen und Einfälle vor allem dann ein Genuss, wenn die Liebesgeschichte an Fahrt aufnimmt und in der Hochzeit kulminiert. Die danach einsetzende, dramatische Wendung der Geschichte wirkt hingegen auf der Leinwand unrund, auch wenn sie sich der gleichen Bildsprache und ähnlichen Metaphern bedient. Was vorher kurzweilig ist, erhält plötzlich einen artifiziellen Charakter: Das Glück wirkt überzeugender als das Unglück. Das mag allerdings auch der sehr marginalen Charakterisierung der Hauptfiguren geschuldet sein. „Der Schaum der Tage“ verlässt sich zu sehr auf die Dynamik der Liebesgeschichte und macht sich kaum Mühe, die Charaktere anderweitig zu kontextualisieren. Spätestens als Colin körperlich arbeitet, um Geld für die horrenden Blumen-Kosten zu verdienen und Chloe allein in der Wohnung vor sich hinsiecht, würde man sich tiefergehende Eigenheiten wünschen, die die Dramatik der Geschichte mittragen. Jede Beschreibung verkommt so zum Gimmick, sei es die Kritik an Jean-Paul Sartres elitärem Politikverständnis, die Unfähigkeit oder der Unwillen zu Militanz, die Weigerung ein Zahnrädchen im bürokratischen Getriebe zu sein oder andere interessante Anspielungen, die verloren wirken und nie ausgeschöpft werden.

Es mag die Konsequenz aus dieser erzählerischen Unausgeglichenheit sein, dass Gondry Metaebenen mit dem eigentlichen Handlungsstrang verwoben hat. Oft sehen wir zum Beispiel, wie die Geschichte von Chloe und Colin in einem Großraumbüro an ständig vorüber ziehenden Schreibmaschinen auf Fließbändern weiter geschrieben wird – jeder Mitarbeiter kann höchstens einen Satz schreiben. Colin versucht einmal, zu intervenieren, dringt in den Raum ein und schreibt: „Und dann wurde Chloe wieder gesund“, aber da wird er gewaltsam vom Platz geschleift. Damit sagt „Der Schaum der Tage“ auch, dass die Geschichte, unsere eigene Geschichte, uns permanent entgleitet, jedwede Zukunftsplanung kann plötzlich zunichte gemacht werden – man kann nur das Moment ergreifen und genießen. Der flüchtige Augenblick als Glück in Miniatur: Das stimmt versöhnlich, auch wenn Chloes und Colins Geschichte kein gutes Ende nehmen mag. Eine fantasievolle Gondry-Szene macht eben manchmal zufriedener, als ein beliebiger anderer, guter Film in ganzer Länge.

Marie Ketzscher

Der Schaum der TageRegie: Michel Gondry, Darsteller: Romain Duris, Audrey Tautou, Tilly Scott Pedersen, Alain Chabat, Aissa Maiga, Gad Elmaleh, Omar Sy, Kinostart: 3. Oktober 2013

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