„Dessau Dancers – Wie der Breakdance fast sozialistisch wurde“ von Jan Martin Scharf



Inspiriert von der Tatsache, dass sich auch im Osten vom Klassenfeind herüberschwappende Subkulturen etablierten, sahen Regisseur Jan Martin Scharf und Produzentin Janna Velber in den „historischen Gegebenheiten des Breakdance in der DDR die ideale Inspirationsgrundlage für einen reizvollen Tanzfilm im Stil von „Billy Elliot“ und „Dirty Dancing“.“, so Velber in einem Interview. Das Ergebnis ist eine Farce, in der – zum Zwecke komödiantischer Unterhaltung – der einfältige Ossi zur Ulknudel der Nation und ein perfides System zum clownesken Affentheater verstoffwechselt wird. Der Osten als Wundertüte für den schlechten Witz, natürlich bepinselt mit einem Quäntchen (klischeehafter) Systemkritik zu Fördergeld-gerechtfertigtem Zweck.

Ungelenk versucht der aus Köln stammende Regisseur, der sich u.a. mit seinem Diplomfilm „Wahrheit und Pflicht“ genauso einen Namen machte wie mit Produktionen der Actionserie „Alarm für Cobra 11“, offenbar mit dieser Ostklamotte in die Fußstapfen Wolfgang Beckers („Good Bye, Lenin“) oder Leander Haußmanns („Sonnenallee“) zu treten. Doch seine Ostposse ist so charmant wie ein Einlauf und das, weil er fast ausschließlich Wert auf den bloßen Anstrich legt und seine Schauspieler mit angeklebtem Schnauzer und im Ost-chic durch die Plattenbaukulisse jagt.

Unnötig zu erwähnen, dass dem Zuschauer beim aufgesetzten Mimenspiel der teils hilflos vor sich hin hampelnden und brav ihre Texte dozierenden Figuren, der ein oder andere Fremdschäm-Schauer über den Rücken läuft. Dabei lagen dem Regisseur unzählige spannende Geschichten aus der ostdeutschen HipHop-Szene zu Füßen. Die reichen von Jörg Pribbenow, einem „Bboy“ in Rostock, bis zu Heiko „Hahny“ Hahnewald in Meißen, TJ Big Blaster Electric Boogie in Dresden und den „Flying Steps“ in Berlin und immerhin spielt mit Sebastian Jaeger alias Killa Sebi (2012 Weltmeister in der Kategorie 1 vs 1) ein echtes Mitglied der „Flying Steps“ im Film selbst mit, wenn auch nur in einer Nebenrolle. Zu wenig vertraute Jan Martin Scharf, selbst einst Hip-Hopper, der Substanz seiner Recherche zur Breakdance-Szene im Osten, als dem vielleicht nach seiner Vorstellung kommerziell viel versprechenderen Modell der verballhornenden Politkomödie. Am Ende schreit den Zuschauer eine eindimensionale Idee vom Klischee „DDR und Repression“ ideenlos von der Leinwand an.

Doch das Scheitern des Filmes ist nicht zuletzt auch dem flachen Drehbuch von Drehbuchautorin Ruth Toma (u.a. „Solino“, „Emmas Glück“, „3096 Tage“) zu verdanken, das in seiner Erzählkunst so holprig von einer Szene zur nächsten stürzt wie ein hastig geschriebener Schüleraufsatz. Dabei sind es besonders die zusätzlich eingeführten Konflikte um Liebe, Rivalität und elterliche Abnabelungsprozesse, die von der eigentlichen Botschaft des Filmes komplett ablenken. Den Figuren wird keine Zeit gelassen, sich zu entwickeln. Unbeseelt und affig stürzen sie von einer Situation in die nächste. Es ist ärgerlich, wie die interessanten Geschichten im deutschen Film oft mit Jux und Dallerei verpulvert werden und das Perfide, statt es in seiner Komplexität auszuleuchten, auf die zwei Extreme Monster oder Clown reduziert wird.
Was der Film in 91 Minuten nicht schafft zu erzählen, meistert Jan Delay in 4:23 Minuten mit seinem Song Feuer“ (hier samt Video bei youtube), der am Ende den Abspann unterlegt. Leider mit einem leichten „delay“, denn da wird die Masse schon wieder den Saal verlassen haben.

SuT

Dessau Dancers – Wie der Breakdance fast sozialistisch wurde„, Regisseur: Jan Martin Scharf, DarstellerInnen: Gordon Kämmerer, Sonja Gerhardt, Oliver Konietzny, B-Boy Killa Sebi, Wolfgang Stumph, Kinostart: 16. April 2015

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