„Die schönen Tage“ von Marion Vernoux



Ihre fehlende Erfahrung um amouröse Abenteuer geht mit mangelndem Sinn für Geheimhaltung einher. Als sie Julien in ihr Stammrestaurant bestellt, erkennen dort Freunde den Fremden. Die Flucht gelingt zwar vor kompromittierenden Fragen und doch nur kläglich. Die Tarnung, die keine ist, fliegt auf. Bald ist es ein Leichtes für Philippe, sich zusammen zu reimen, weshalb sich seine geliebte Frau seit Wochen so merkwürdig benimmt. Gleichzeitig gewinnt Caroline Gewissheit darüber, dass Julien offensichtlich neben ihr andere, jüngere Frauen trifft. Wie könnte sie es ihm auch verbieten?

Regisseurin Marion Vernoux gewinnt dem Thema ältere Frau trifft jüngeren Mann eine ganze Menge Frisches ab und spaziert leichtfüßig neben den ausgetrampelten Genrepfaden. Sie gewährt ihren Figuren eine Begabung zur Vernunft, die sie jenseits von Lug und (Be-)Trug über die eigenen Positionen in dieser Dreiecksgeschichte sinnieren lassen. Vor allem, wenn der Zuschauer mit der hinreißenden Fanny Ardant an der französischen Atlantikküste spaziert und beinahe glaubt dieselbe Luft der Freiheit wie die elegante Dame zu atmen. Unweigerlich formuliert der Betrachter Gedanken über Beziehungen und das Leben. Warum bleiben Paare zusammen? Wann (müssen) sich Partner trennen? Wie definiere ich Glück?

Caroline (Fanny Ardant) geht am Strand spazieren ... in Jeans! © Wild Bunch Germany

Caroline (Fanny Ardant) geht am Strand spazieren ... in Jeans! © Wild Bunch Germany

Die Antworten – und das ist eine der vielen Stärken von „Die schönen Tage“ – formuliert Vernoux gleich mit, ohne dogmatisch zu belehren. Wenn Caroline nach dem Sex mit Julien ihre schwarzen Strümpfe über ihre Waden zieht, stellen sich keine Fragen, an das Tabu Erotik im Alter. Diskret gestaltet die Französin, die schon Mitte der 90er Jahre mit „Love, etc.“ ihr Publikum um den Finger wickelte, die Liebesszenen, die nie anrüchig oder unangebracht wirken. Sie artikuliert ein Recht auf Glück und auch Sex, das keine Rücksicht auf etwas kaum zu bestimmendes, wie das gefühlte Alter nimmt.

Noch mehr als die kluge Regie Vernouxs trägt Hauptdarstellerin Fanny Ardant zu diesem bemerkenswerten Werk bei, von der ihre Regisseurin behauptet, dass die Grande Dame zum ersten Mal Jeans auf der Leinwand trage. Ardant, die für das Who is Who der Regisseursriege, von Wim Wenders über Michelangelo Antonioni bis Francois Ozon vor der Kamera stand und mit Frankreichs Legende Francois Truffaut sogar drei Jahre verheiratet war, liefert eine herausragende One-Woman-Show ab. Neben ihr verblassen ihre männlichen Kollegen Lafitte und Chesnais geradezu. Mit kleinsten Regungen in ihrem Gesicht, könnte die Ardant einem ebenso glaubhaft die Geschichte der Erde erklären, wie an den Geschmack des allerersten Bonbons, das auf der Zunge zergeht, erinnern. Hinreißend.

Denis Demmerle

Die schönen Tage„, Regie: Marion Vernoux, mit Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais, Kinostart: 19.9.2013

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