„Familienbande“ (OT: „You’re ugly too“) von Mark Noonan



Obwohl diese Geschichte nach überaus viel Drama klingt, inszeniert sie Noonan nicht als solches. Ihm gelingt ein unverkrampftes Porträt der sich langsam entwickelnden Beziehung zwischen beiden Hauptcharakteren. Es geht um den melancholischen Will, der sich oft wie ein Kind verhält, und die neunmalkluge Stacey, die mehr übers Kochen und Fremdgehen wissen will, als ihrem Ersatzvater lieb ist. Viel irischer Humor spielt in die schlagfertigen Dialoge, der besonders zum Vorschein kommt, wenn das Leben Probleme bereitet. So schlingert „You’re ugly too“ zwischen Drama und Komödie und ergibt eine unaufgeregt berührende Geschichte. Unaufgeregt, ruhig – aber nicht langweilig.

Dafür sorgen die Hauptdarsteller Lauren Kinsella und Aidan Gillen mit ihrem überzeugenden Spiel. Während Will seine Schwierigkeiten mit Staceys fehlenden Manieren hat, ist diese darüber schockiert, dass er Eis stiehlt. Auch über seinen Galgenhumor lacht sie zunächst nicht. Authentisch, vorsichtig tasten sie sich an eine Art Familienleben heran – hier ein Lächeln, dort eine Neckerei. Viele der spielerischen Wortwechsel zwischen der 13-jährigen Kinsella und dem international bekannten Gillen („Game of Thrones„) seien improvisiert. Ansonsten hat Noonan nichts dem Zufall überlassen, um eine für die Geschichte ideale Stimmung aus Trübsinn und Zuversicht zu erzeugen.

Sein Hauptdrehort sind die Midlands in Irland, die Mitte der grünen Insel. In einem Wohnwagencamp finden Will und Stacey vorübergehend eine Bleibe. Es ist wie einer der Zwischenhalte im Leben, die jeder kennt. Jene sich abwechselnde Schwermut und Hoffnung, die aus einer ungewissen Zukunft rührt und sich anfühlt wie eine lange Zugfahrt. Nichts ist von Dauer und irgendwann ist dieser kleine Lebensabschnitt nichts weiter als ein mittelfristiger Zustand gewesen. Diese Atmosphäre hält sich dank des gewählten Drehorts den ganzen Film über. Die Spaziergänge an den nicht enden wollenden Schienenstrecken durch die flache Sumpf- und Torflandschaft steuern ihren Teil dazu bei. Das Gefühl kommt auf, einen Schwebezustand im Leben zweier Menschen zu betrachten, die nicht wissen, wohin die Reise geht. Selbst das natürliche Licht ist Teil dieses Gefühls: Es taucht die Bilder in warme Ockertöne, in Mischfarben.

So ist „You’re ugly too“ eine stimmige Momentaufnahme einer nicht ganz einfachen Beziehung, deren Charaktere an einem Wendepunkt in ihrem Leben stehen. Zum Genießen, Lachen und Nachdenken lädt der kurzweilige Film ein. Genauso wie es die ländliche Abgeschiedenheit des Wohnwagens vom melancholischen Will und der vorlauten Stacey fordert.

Nika Waginzik

Familienbande“ (OT: „You’re ugly too„), Regie: Mark Noonan, DarstellerInnen: Aidan Gillen, Lauren Kinsella, Erika Sainte, George Pistereanu, Kinostart: 19. November 2015

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