„Ida“ von Pawel Pawlikowski



Auf zahlreichen internationalen Festivals ausgezeichnet, wird der Film auf dem diesjährigen Berliner Festival filmPOLSKA in der Sparte „Neues polnisches Kino“ gezeigt und als „eine Hommage an das polnische Kino der Nachkriegszeit“ angekündigt. Diese Bezeichnung hat der Film seinem 4:3 Format und seiner Entschleunigung in sanften Grautönen zu verdanken. Seine ästhetische Form erinnert an alte analoge Schwarz-Weiß-Fotografien; die statische Kameraführung erzeugt stille Momentaufnahmen und legt damit viele Leerstellen offen. „Ida“ erzählt vom Ungesagten und Ungezeigten und nicht zuletzt von der Wichtigkeit eines einzelnen Menschenlebens in der kollektiven Geschichte.

In der polnischen gegenwärtigen Presse löst „Ida“ eine kontroverse und polemische Debatte über die historische Schuldfrage im Holocaust sowie den aktuellen Antisemitismus in Polen aus. Der Film wird reduziert auf die Darstellung der polnischen Täterrolle im Holocaust. Er ist aber kein politisches Spiegelbild der heutigen polnischen Gesellschaft, auch ist er keine historische Abrechnung mit dem polnischen Antisemitismus der Nachkriegszeit. Er spielt Anfang der 60er Jahre im sozialistischen Polen, mit alten Schallplattenspielern, russischer Musik im Autoradio und einer grausamen Wahrheit – die sich tief im Wald verbirgt.

Regisseur Pawel Pawlikowski kreiert einen Blickwinkel auf einen Umgang mit Antisemitismus, der nicht in der heutigen Zeit verortet werden darf. Der Fokus liegt auf dem Leben eines jungen Mädchens in den 60er Jahren, das ihren Lebensweg in dieser verwobenen Geschichte finden möchte. Die Holocaustthematik ist lediglich eingebettet, die Bildsprache passt sich Idas Gegenwart an und rückt ihre Wandlung in den Vordergrund. „Ida“ erzählt von der Suche nach der Identität, einem eigenem Weg im Leben, in Relation zur Gesellschaft. Die Titelheldin steht sinnbildlich für die Immunität gegen das kollektive Vergessen. Zum Schluss fragt die junge Protagonistin „Co potem?“ (Was kommt danach?) und bekommt zur Antwort: „Das Leben selbst“.

Oliwia Blender

Regie: Pawel Pawlikowski, Darsteller: Agata Trzebuchowska, Agata Kulesza, Joanna Kulig, Dawid Ogrodnik, Kinostart: 10. April 2014, auf DVD ab 10. Oktober 2014

Die Filmkritik von Oliwia Blender entstand im deutsch-polnischen Programm „Über Filme schreiben ist über die Welt schreiben“ für junge Journalisten und Filmkritiker.

Weitere Beiträge bei Berliner Filmfestivals:

„Kino ist Mut. Kino ist Kultur“ von Nina Linkel.
„Filmische Impressionen des polnischen Lebens in Deutschland“ von Agata Czamanska

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