„Foxcatcher“ von Bennett Miller



Foxcatcher“ ist eine Charakterstudie, die in bleichen, kalten Bildern und langen musiklosen Passagen eine Geschichte von der Macht des Geldes, von Patriotismus und Einsamkeit erzählt. Der Film ist, wie es Bennett Miller in einem seiner Interviews auf den Punkt bringt, die Spitze des Eisberges. Der Knoten zweier weit verwickelten Familientragödien, der Tragödie der Familie Schultz und der Tragödie der Familie du Pont. Der Ringsport mit seiner Verbindung von Kraft und Intimität und der gleichzeitigen Sensibilität dafür, die Stärken und Schwächen des Gegners zu erkunden, bietet einen wunderbaren Ausdruck für das Leben der Protagonisten.

Die Kritiken überschlagen sich mit Lobeshymnen auf die Schauspieler und Ihre perfekte Verwandlung in eine andere Person. Tatsächlich scheint sich gerade Steve Carell (John du Pont) mit seinem Trainingsanzug und der ungesunden Gesichtsfarbe, inklusive falscher Nase und falschen Zähnen, einen anderen Mann übergestreift zu haben. Die Maske und die veränderte Stimme machen ihn zu einem Ausgestoßenen, der seltsam unmenschlich wirkt. Auch Channing Tatum (Mark Schultz), der wie Steve Carell dem breiten Publikum eher durch leichtere Kost bekannt ist, und Mark Ruffalo (Dave Schultz) überzeugen. Die intensive Präsenz der Schauspieler und die präzise Körperlichkeit lassen den Zuschauer geradezu durch den Film rauschen. So ist „Foxcatcher“ trotz seinen 130 Minuten, seinen langen Einstellungen, den reduzierten Dialogen und der wenigen Hintergrundmusik bis zum Schock am Ende spannend.

Besonders die beiden Charaktere John du Pont und Mark Schultz bleiben im Gedächtnis: Ihre tragische Verbundenheit und ihr trauriges Ende. Beide sind patriotisch – beide haben ein Symbol für ihre Liebe zur Nation an Ihrer Wand hängen. Während Mark einen alten Kunstdruck des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges in seiner alten Wohnung hat, prangt über du Ponts Schreibtisch eine wohl historische Amerikanische Flagge. Die beiden Außenseiter sprechen laut von Patriotismus und Ihrem Kampf für Amerika und wünschen sich leise einen Vater (Mark) oder den Respekt der Mutter (du Pont). John, das größenwahnsinnige Kind mit zu viel Geld, wird für Mark zum Vater. Aber so wie Marks biologischer Vater die Familie vor vielen Jahren verlassen hat, verstößt auch John du Pont Mark, als dieser beginnt eigene Entscheidungen zu treffen (sehr schön symbolisiert durch Marks veränderte Frisur). Eine rührende Szene, die die zerstörerische Dynamik der beiden Männer zusammenfasst, ist der Flug der beiden zu einem Wohltätigkeitsball. Du Pont hat eine Rede für Mark dabei, dieser scheitert an den Wörtern und es kommt zwischen den beiden menschenscheuen Männern über einigen Linien Kokain und unaussprechlichen Wörtern zu so etwas wie Freude und geteilter Heiterkeit. Mark trottet dem Millionär scheinbar ohne Zweifel hinterher und lässt sich auch unerwartet schnell zum Drogenkonsum überreden. Der Berg von Mann ist gleichzeitig sehr verletzlich und emotional. Wenn er läuft, geht er wie ein muskelbepacktes Welpen, das freiwillig in das Revier des selbsternannten Adlers marschiert.

Marks Bruder Dave wird zum Störfaktor in du Ponts Erfolgsplan. Zwischen Marks und du Ponts animalischem Streben steht er als Mensch und kann sich nicht du Ponts Geldsystem unterwerfen. Er verkörpert das, was du Pont sein will und was er trotz seines Geldes nicht erreicht: Ein respektierter, guter Sportler zu sein, geliebt von Freunden und Familie.

Das Sportlerdrama „Foxcatcher“ zeigt das Zusammentreffen eines reichen Mannes auf der Suche nach Anerkennung, eines wortlosen Ringers auf der Suche nach einem Vater und eines treuen Familienmensches, der sich nicht kaufen lassen kann.
Vieles bleibt nur angedeutet, die komplizierte Familiengeschichte der du Ponts, die seltsamen nächtlichen Trainingseinheiten zwischen Mark und John du Pont und wie es genau zu John du Ponts radikaltem Entschluss kommt.

Was bleibt, neben vielen möglichen Parallelen zur heutigen Zeit, wie der Kritik an Kapitalismus und Patriotismus, ist die Geschichte dreier Männer und ihrem Ringkampf zwischen Intimität und Macht. In den über zwei Stunden Spielzeit von „Foxcatcher“ voll absurder Komik und Dramatik geht es um Tradition und Vaterlandsliebe, um Emotionen und Familie und um Stärke und Führungswillen. Ein Kampf den das Geld regiert und der alle Beteiligten zu Verlierern macht.

Maria Stefania Bidian

Foxcatcher„, Regie: Bennett Miller, DarstellerInnen: Channing Tatum, Mark Ruffalo, Steve Carell, Anthony Michael Hall, Sienna Miller, Vanessa Redgrave, Kinostart: 5. Februar 2015, DVD-Start: 25. Juni 2015

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