„Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ von Tommy Wirkola


Aus Märchengeschwistern werden absurd-trashige Splatterhelden. Foto: Paramount Pictures Germany

Aus Märchengeschwistern werden absurd-trashige Splatterhelden. Foto: Paramount Pictures Germany

Yippie Kay Yay, böse Hexe

Wow, da haben uns die Gebrüder Grimm doch einiges verschwiegen. An expliziter Gewaltdarstellung mangelt es in deren Märchensammlung zwar bekanntlich nicht, aber die mittelalterlichen Pumpguns und Maschinengewehre ließen sie unerwähnt. Auch über den vollständigen Lebensweg von Hänsel und Gretel wurden wir nicht aufgeklärt. Nach der heftigen Episode mit der Hexe im Pfefferkuchenhaus verlieren sich die Spuren. Zum Glück scheint der norwegische Trashregisseur Tommy Wirkola über einen guten Draht ins Jenseits zu verfügen. Er tritt nun das Erbe der Grimms an und erzählt in „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ wie es dem bekannten Geschwisterpaar im Erwachsenenleben ergangen ist.
Hänsel (im englischsprachigen Original herrlich schräg zu Haansl verunstaltet) und Gretel (engl. Gräddl), verkörpert von Jeremy Renner und Gemma Anderton, haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sie ziehen, ausgestattet mit einem ausgezeichneten Ruf und einem ebensolchen Waffenarsenal, durch Europa und jagen Hexen. Als in Augsburg (engl. Oogsbörg) auffallend viele Kinder verschwinden, werden die beiden vom umtriebigen Bürgermeister angeworben. Schnell wird klar: Hier treibt nicht irgendeine Hexe ihr Unwesen. Die mächtige Muriel (Famke Janssen) plant einen revolutionären Hexensabbat, der die Menschheit teuer zu stehen kommen könnte. Gut, dass sich Hänsel und Gretel bereits eine geeignete Taktik zurecht gelegt haben: Mit ein wenig Kombinationsgabe und einer Menge brachialer Gewalt treten sie der fiesen Schreckschraube entgegen.

Für alle, die sich jetzt verwundert die Augen reiben, noch einmal zum Mitschreiben – richtig gelesen. In „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ werden aus den Grimm’schen Märchengeschwistern absurd-trashige Splatterhelden. So sorgt eine Armee von detailverliebten Animateuren dafür, dass dem Zuschauer keine abgesprengte Extremität und kein herumfliegendes Organteilchen entgeht. Ob dies mit Humor oder Übelkeit aufgenommen wird, muss jeder selbst entscheiden. Ärgerlich ist, dass der kompromisslos-geschmackfeindlichen Form eine ziemlich konventionelle Story zur Seite gestellt wurde. Der Grund für diese Feigheit ist nicht ganz klar – kommerzieller Erfolg dürfte „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ wegen der fehlenden Massentauglichkeit und Jugendfreigabe sowieso nicht beschieden sein.
So bleibt ein Film, der Splatter- und Trashfreunden einen kurzweiligen Abend bereiten dürfte. Mehr kann „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ nicht leisten. Falls irgendjemand bei einem solchen Filmkonzept mit der Erwartung auf tiefgründige Erkenntnisse ins Kino gehen sollte, dann sind die 10 Euro Geldstrafe (Eintritt plus 3D-Aufschlag) für gemeingefährliche Naivität sicherlich mehr als gerechtfertigt.

Peter Correll

Hänsel und Gretel: HexenjägerRegie: Tommy Wirkola, Drehbuch: Tommy Wirkola, Dante Harper, Darsteller: Jeremy Renner, Gemma Arterton, Famke Janssen, Peter Stormare, Zoe Bell, Derek Mears, Thomas Mann, Judy Norton, Kinostart: 28. Februar 2013