„Headshots“ von Lawrence Tooley
Es geht um Eitelkeit
Redet oder liest man von den Medien, redet oder liest man häufig von den intellektuellen, emanzipativen oder subversiven Chancen, die die Medien einem offerieren. Dabei zählt die Beschäftigungsgruppe der Medienarbeiter zu einer wichtigen Profitquelle – und ist ein Hort für ungehemmten Zynismus. Aus der Sicht dieser Medienarbeiter sieht die Welt der Medien ganz anders aus, als aus der Sicht von Medienkonsumenten. Ein guter Fotograf beispielsweise akkumuliert Bildinformationen über die Wirklichkeit genau so wie ein nach Erz schürfender Bergmann. Er schaufelt Rohmaterial für die Medienfabrikation und wird dadurch in einem hohen Maße körperlich und mental beansprucht. Bei wichtigen Shootings oder solchen die als wichtig gelten, wird tatsächlich gesellschaftlich relevantes Material gefördert – in mühevollen Einstellungen, Versuchen und Wiederholungen. Die Kamera wird nicht nur hingehalten, sondern, wie in anderen Produktionsprozessen, der ganze Mensch, indem er seine Arbeitskraft verausgabt, um Werte, genauer gesagt Gebrauchs- und Tauschwerte, zu erzeugen.
Hinsichtlich des Gebrauchs sind solche Kameraleute voll des Gesehenen. Es ist durch sie nicht durchgelaufen wie durch ihre Kameras, sondern hat sich in ihnen als eine Welterkenntnis abgelagert, die keineswegs identisch ist mit dem fertigen Warenprodukt. Wer fünfzig Models, Schauspieler, Musiker oder Politiker für die Kamera präparierte, hat vermutlich mehr über das öffentliche Leben als jeder Soziologe erfahren, ohne es jedoch ausdrücken zu können. Dieses nicht ausdrücken können, ist auch das größte Problem des österreichisch koproduziertzen Debüts von Lawrence Tooley. Es verrät sich schon im Arbeitstitel „Headshots„. Wenn es um das Erfassen des Neuberliner Milieus geht, welches irgendwo zwischen allgemeiner Prokrastination und dem Shoppen-wie-Scheiße-Zweitwohnsitz hin und her flaniert, ist er ehrlicher und selbstreflexiver als sein Kollege Tom Tykwer in „Drei„. Wenn es aber um den Berufsstand des Fotografen geht und man da nach einem geeigneten cineastischen Vergleich sucht, muss man passen – und das heranzitieren von „Blown up“ wäre gegenüber allen Beteiligten nur unfair.
Loretta Pflaum ist in ihrer Rolle als karrierefixierte Fotografin Marianne glaubhaft. Sie ist glaubhaft eingebildet, busy (nein nicht beschäftigt) und geht ihrem Job mit der nötigen Performance (nein nicht Leidenschaft) nach – und so sitzt man halt eben im Kinosessel und denkt: „Naja ganz nett“. Naja ganz nett klingt nicht nur wie Verfilmung der Phrase „Hey, wir wissen, das nicht alles okay ist“, sondern sie ist es auch. Lawrence Tooley vermag es leider nicht, die Hohlheit dieser Pachtvisagen, die um jeden Preis Pop oder cool oder beides bleiben wollen, zu vermitteln. Es geht nicht um Überarbeitung. Es geht nicht um Stress. Es geht noch nicht einmal um Konkurrenz. Es geht um Eitelkeit.
Es ist diese grundlegende Angst, die jedem Dienstleister inne wohnt, der, wenn er nicht schön- und mittut beim Abschlussmonolog von „GoodFellas“ landet: „Ich hatte eine Zuckerdose voll mit Kokain neben dem Bett. Alles was ich haben wollte, war nur ein Telefongespräch weit entfernt… Und jetzt ist alles vorbei. Das ist der schwerste Teil. Heute ist alles anders. Kein Trubel mehr. Ich muss immer bloß warten wie jeder andere. Ich bin ein durchschnittlicher Niemand. Ich werd den Rest meines Lebens wie irgend ein Trottel verbringen.“ Anstatt diese Kernangst herauszuarbeiten, scheint Tooley durch eine überartifizielle Bildsprache nur kaschieren zu wollen, dass er seine Geschichte selbst nicht glaubt. Aber es macht sich wohl auf der Vita ganz gut, mal einen gesellschaftskritischen Film gedreht zu haben, nicht wahr?
Joris J.