„Heimatland“ von Lisa Blatter, Gregor Frei, Jan Gassmann, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Michael Krummenacher, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Schweiwiller


Heimatland“ schafft ein allgemeingültiges Bild einer industrialisierten, wirtschaftlich stabilen Gesellschaft, wie es die Schweiz – bisher – ist, das sich weitgehend problemlos auf andere Länder insbesondere Nordeuropas übertragen lässt. Kennzeichnend und auch amüsant wirken die Szenen in einer Versicherung. Mit der Befürchtung, der angehende Sturm könnte massenhaft unkontrollierbare Schäden anrichten, versucht der Vorstand des Unternehmens, alle Möglichkeiten auszuloten, die eine allfällige Haftung verhindern würden. Das Ende der gesamten Branche steht auf dem Spiel.

Als bissige politische Satire mit einem brisanten Aktualitätsbezug überzeugt der Film mit dem Einfall, dass auf einen Schlag die Bevölkerung eines ganzen Landes Zuflucht im Ausland sucht. Die Medien berichten von den Maßnahmen der fremden Regierungen, die auf den Zustrom nicht vorbereitet sind und nicht wissen, wie sie mit den Geflüchtetetn umgehen sollen. Mag die Vorstellung amüsieren, dass auf einmal Schweizer an Europas Toren Einlass begehren, bleibt einem das Lachen schnell im Halse stecken. Die Autoren konnten ihren Standpunkt angesichts der aktuellen Flüchtlingsproblematik nicht klarer machen.

Eine typische Schweizerische Note besitzt der Film, indem er gekonnt, wenn auch nicht ausschöpfend, die sprachliche, kulturelle und soziale Vielfalt des Landes sichtbar macht. Regionale Charakteristika wie die Tatsache, dass im Raum Bern „Heimatland“ auch als moderates Fluchwort verwendet wird oder dass der Bevölkerung des Kantons Schwyz traditionellerweise eine Feindseligkeit gegenüber „Auswärtigen“ – wobei damit auch Schweizer aus anderen Kantonen und nicht nur Ausländer gemeint sind – nachgesagt wird, mögen vermutlich Nicht-Eingeweihte schwer in den richtigen Zusammenhang bringen.

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Erstaunlich wirkt die künstlerische und inhaltliche Geschlossenheit des Films von gleich zehn Autoren, da „Heimatland“ nie zu einer Aneinanderreihung zehn unterschiedlicher Kurzfilme verkommt. Entstanden ist keine Anthologie zu einem übergeordneten Thema, wie dies beispielsweise bei „Boccaccio 70“ (1962, Mario Monicelli, Federico Fellini, Luchino Visconti, Vittorio De Sica) oder jünger bei „Paris je t’aime“ (2008) der Fall ist. Die künstlerische Leitung des Projektes übernahmen Jan Gassmann und Michael Krummenacher („Sybille„, 2015, Berlinale), zwei der zehn um 1980 geborene Regisseure. Die meisten von ihnen stehen am Anfang ihrer Karriere, darunter einzelne bekanntere Namen wie Tobias Nölle, der seinen ersten Spielfilm „Aloys“ aufder diesjährigen Berlinale präsentierte. Man einigte sich auf eine Rahmenhandlung und schnitt die einzelnen Beiträge, die nicht namentlich gekennzeichnet sind, zu einem kohärenten Film zusammen.

Teresa Vena

Heimatland„, Regie: Lisa Blatter, Gregor Frei, Jan Gassmann, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Michael Krummenacher, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Schweiwiller, Darsteller: Peter Jecklin, Dahmir Ristemi, Julia Glaus, Michèle Schaub Jackson, Florin Schmidig, Egon Betschart, Gabriel Noah Mauerer, Liana Hangartner, Luna Arzoni, Soumeya Ferro Luzzi, Roberto Garieri, Nicolas Bachmann, Morgane Ferru, Kinostart: 28. Juli 2016

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