„Inside Llewyn Davis“ von Ethan und Joel Coen
Das Potenzial der Restsumme
Wir glauben zu wissen, was wir brauchen, um glücklich zu sein. Ein Heim, einen ausfüllenden Beruf und Menschen, die uns lieben und für uns da sind. Wem das nicht reicht, schreibt zusätzlich in großen Lettern Geld und Erfolg auf die Wunschliste. Unglücklich sein, heißt die logische Konsequenz, wenn diese Dinge abwesend sind. Der Mangel macht den Schmerz, die Leere macht die Sinnlosigkeit. Die Subtraktion des vermeintlich Lebenswerten vom Leben selbst. Was übrig bleibt, ist ein Rest, der einfach hinten runterfällt, der nichts wert ist und um den sich scheinbar niemand schert. Eine unlösbare Gleichung.
„Inside Llewyn Davis“ erzählt vom Leben als Restsumme. Der Folksänger Llewyn (Oscar Isaac) hat nichts – kein Heim, keine Freunde, kein Geld und keinen Erfolg. Letzteres steht ganz oben auf seiner Wunschliste. Llewyn hat Talent, doch seine Authentizität und sein Eigensinn machen ihn zu einem Fremden in seinem eigenen Zeitgeist. In der Musikerszene im New York der frühen 60er Jahre zählt die glatte, strahlende Oberfläche. Risse, Narben und Löcher im eigenen Selbstbild sind alles andere als en vogue. Abend für Abend erklimmen neue Singer-Songwriter die Bühnen der Pubs und Bars, je konformer und identitätsloser, desto größer ist ihr Erfolg. Seitenscheitel und Strickpolos diktieren die Stilrichtung, während das Intellektuellen-Publikum mit tiefsinniger Miene lauscht und Kette raucht.