„Iron Sky“ von Timo Vuorensola
Heil Kortzfleisch!
Heutzutage, da beinahe jede sentimentale Fiktion zerstört worden ist, überkommt einen als passionierter Kinobesucher ein wohltuender Schauer, wenn der neueste Nazistreifen seine Premiere feiert. Alle Jahre wieder überzeugen wir uns, dass wir die Nazis besiegt haben. Das Gute triumphierte, auch wenn sich das Gute über die Dekaden hinweg in den Filmen deutlich veränderte. Genau genommen verloren die Helden innerhalb der letzten 20 Jahre dermaßen an Glaubwürdigkeit, dass wir schließlich bei dem angekommen sind, was man im Englischen einen Guy-cry film nennt – harter Männerkitsch. So bleibt der letzte ernsthafte Anti-Nazistreifen Samuel Fullers „The Big Red One„. Doch zurück zum Kitsch.
Die Allzweckwaffe, um sich einer Gefühlsduselei zu erwehren, ist der Spott. Je derber, desto besser. 2009 wurde mit „Inglourious Basterds“ das Zwerchfell den ersten Sparring-Einheiten ausgesetzt, doch selbst Quentin Tarantino traute sich nicht, dieses moralinsaure Thema so zu beackern, dass es wenigstens einmal ins Schwitzen gerät. Timo Vuorensolas „Iron Sky“ ist da ein deutlich härterer Schleifer. Schon die Vorstellung, dass es Nazis auf dem Mond gibt, ist so wohltuend absurd und das diese Mondnazis ausgerechnet von einem Afroamerikaner (Christopher Kirby) entdeckt werden, der nur auf dem Mond ist, um für die Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werben, ist ein Segen.
Sicherlich, die Humor-Kultur ist den Machwerken eines Uwe Boll-Vehikel entnommen, aber es ist hier schlicht und ergreifend notwendig. Im Ensemble dieses Streifens tut sich besonders Julia Dietze als Mond-Nazi-Lehrerin Renate Richter hervor. Sie erinnert in ihrem Gestus stark an jenen Schlag von Mensch, den man als gefühlt links bezeichnen kann. Von ordinären Konservativen sind die meisten von Ihnen kaum zu unterscheiden. Alles was sie nicht verstehen, erklären sie für gefährlich und das, worum sie wissen, verklären sie zu einer erlösenden Weisheit. Darin liegt das Wesentliche ihres Autoritarismus: Alle sollen so sein wie sie selbst. Dazu gesellt sich noch eine verkürzte Lektüre. Hier besonders gut dargestellt durch die zwei Versionen von Charlie Chaplins „The Great Dictator„. Während das Original 125 Minuten andauert, ist die Version der Mond-Nazis nur einige Sekunden lang und auf die Szene reduziert, in der Chaplin mit einem Globus spielt. Der andere Mond-Nazi, der uns näher gebracht wird, ist Götz Otto in seiner Rolle als SS-Offizier Klaus Adler. Effizient, selbstverliebt und blöd – mehr Eigenschaftswörter braucht man nicht, um seine Figur zu umschreiben.
Klaus möchte der nächste Mondführer werden und geht in seiner Geltungssucht sogar so weit, mit dem Feind, also der Präsidentin der Vereinigten Staaten, die nur aus rechtlichen Gründen nicht Sarah Palin genannt wurde, zu paktieren. So entlarven sich beide als dummdreiste Infanten. Schließlich kommt es gegen Ende zu einem Schlagabtausch zwischen der Mond-Luftwaffe und diversen angeblich nur zu Forschungszwecken konzipierten Raumstationen. Die Ebene der Realpolitik wird in „Iron Sky“ allgemein als zynisch gehandelt. Nordkorea nimmt keiner für voll, Finnland ist naiv, Indien klugscheißend und die USA ignorant. Auffallend aber ist, dass es keine Karikatur der Bundesrepublik Deutschland gibt. Schade, den gerade das Aufeinanderprallen des notorisch fremdenfreundlichen Bundesrepublikaners mit dem Mond-Nazideutschen hätte den Film zu einem kleinen Meisterwerk werden lassen können.
So schöpft „Iron Sky“ sein Potential leider nicht vollständig aus und wird vergleichbar mit Arbeiten wie etwa Paul Weitz „American Dreamz“ oder Uwe Bolls „Postal„. Dankbar sollte man aber dafür sein, dass er die Weltuntergangszenarien eines Roland Emmerichs gründlich dekonstruiert und als imbezilen Dünnschiss vorführt. Gott sei Dank ist der Nazi nun vollständig aus der Sphäre des Politischen verbannt.
Joris J.
„Iron Sky„, Regie: Timo Vuorensola, Drehbuch: Johanna Sinisalo, Hauptdarsteller: Tilo Prückner, Udo Kier, Götz Otto, Julia Dietze, ab 26. Oktober auf Blue-Ray und DVD.