„Men & Chicken“ von Anders Thomas Jensen


Elias (Mads Mikkelsen) beim Familien-Ritual Badminton. © Rolf Konow DCM

Elias (Mads Mikkelsen) beim Familien-Ritual Badminton. © Rolf Konow DCM

Der Humor in „Men & Chicken“ bewegt sich an verschiedenen Stellen am Rande der Geschmacklosigkeit, etwa wenn es um die sexuellen Neurosen der Brüder geht. Elias hat einen zwanghaften Drang zur Masturbation und Gregor, Franz und Josef befriedigen sich, aus Mangel an Alternativen, mit den Tieren – außer dem Stier, der wie eine Art Heiligtum behandelt wird. Auch die extrem tiefe Hemmschwelle zur Gewaltanwendung wirkt zuweilen anstrengend, wenn auch konsequent, da sie durchgehend thematisiert bleibt. Sieht man von diesen Szenen ab, die mit der groben Kelle angerichtet wurden, hat der Film großes Potenzial.

Neben ihren vielen abstoßenden Eigenheiten haben die Brüder vor allem anrührend-eigenwillige Charakterzüge. Elias und Franz hassen es, unterbrochen zu werden, Gregor und Josef streiten sich um den Teller mit dem Hundebild und Josef wird magisch vom selbstgemachten Käse angezogen, so dass dieser bewacht werden muss. Stört jemand ihr tägliches Badminton-Match, gibt es kein Halten mehr. Die Konfrontation aller mit Gabriel, als Symbol für den rationaldenkenden Menschen, verstärkt die komische Wirkung. Zu den amüsantesten Episoden gehört das Lesen aus der Bibel, das erste nicht wissenschaftliche Buch, aus dem die Brüder sich eine Geschichte vor dem Schlafengehen vorlesen. Zum Ritual gehört die individuelle Interpretation des gelesenen Abschnitts durch den Vortragenden. So kommt Josef zum Schluss, dass Abraham an Schizophrenie gelitten habe und das ganze Buch sowieso vollkommen unrealistisch sei. „Es ist doch bescheuert, herumzulaufen und nur so mit Wundern um sich zu werfen.“

Der Film ist weniger eine Thriller-Komödie wie „Blinkende Lichter“ (2000) oder die beiden Teile von „In China essen sie Hunde“ (1999, 2002), sondern mehr eine Folge grotesk-fantastischer Einfälle. In diesem Sinne erinnert „Men & Chicken“ innerhalb von Jensens bisherigem Werk an „Dänische Delikatessen“ (2003), in dem Mads Mikkelsen und Nikolaj Lie Laas (Doppelrolle) die Hauptrollen spielen, und schneidet in ähnlicher Weise ein makabres Thema an. Der neue Film des Autors fällt allerdings radikaler aus, wobei er zum Schluss dem Ganzen eine märchenhafte Wendung gibt, womit er wieder etwas an Härte der Aussage herausnimmt. Der Schauspieler-Reigen harmoniert perfekt, die einzelnen Leistungen sind virtuos, selbst die Nebenrollen, wie die des Dorfarztes (Ole Thestrup), sind prominent besetzt.

Teresa Vena

Men & Chicken„, Regie: Anders Thomas Jensen, Darsteller: Mads Mikkelsen, David Dencik, Nikolaj Lie Kaas, Nicolas Bro, Soren Malling, Ole Thestrup, Kinostart: 2. Juli 2015

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