„Neruda“ von Pablo Larrain



Larrain inszeniert diese letzte Episode als ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kommissar Oscar Peluchoneau und Neruda im Stile eines Film noir und mit vielen surrealen Momenten. Er beschreibt es selbst als „Anti-Biopic“, sicher auch, um sicher zu gehen, dass niemand seinem Werk einen dokumentarischen Charakter unterstellt. Aber das sollte jedem Betrachter vom ersten Moment an klar sein. Eröffnet „Neruda“ doch in einem absurd-pompösen Badezimmer, in dem sich die politische Elite Chiles wie selbstverständlich begegnet und tagt, um für einen Monolog des großen Neruda inne zu halten, mit dem er den Präsidenten verbal an die Wand nagelt. Von dieser Exposition ausgehend spitzt Larrain die Verfolgung Nerudas, in die die Staatsmacht damals eine aberwitzige Schar an Bluthunden der Armee und Polizei investierte, auf ein klassisches Duell zu: Peluchoneau vs Neruda.

Vielleicht oder wahrscheinlich hat Neruda mit seiner kunterbunten Fantasie Peluchoneau selbst erschaffen – diese Spur legt Larrain aus, indem sich sein Neruda einen Peluchoneau als Verfolger wünschen darf und dies auch formuliert. Dieser fast comichafte Polizist, der sich mit seinem dünnen Schnurbart und seinem hübschen Anzug aufbrezelt als würde er hoffen, mit dem Aufzug eher an ein Date mit der Überfigur zu kommen als ihn für alle Zeit aus dem Verkehr zu ziehen, ist Neruda natürlich nicht gewachsen. Dass Larrain ihn die Neruda-Biografie „Confieso que he vivido“ („Ich bekenne, ich habe gelebt„) lesen und zitieren lässt, dient nur vordergründig dem kriminalistischen Interesse des Polizisten und vielmehr als Hommage ans Schaffen Nerudas.

Larrain gelingt ein besonderes Werk über die letzten Tage und Wochen der vielleicht größten Persönlichkeit Chiles. Er entwickelt mithilfe der schauspielerischen Leistungen seiner Protagonisten Luis Gnecco und Gael García Bernal großartige Momente und unterstreicht diese mit einer ganz eigenen, naturalistisch anmutenden Optik, die ein manchmal fast grell im Gegenlicht leuchtendes Chile ebenso in Szene setzt wie die beiden Gegenspieler. Sein Ergebnis ist märchenhaft und nimmt dem realen Drama um Neruda an Wucht.

Denis Demmerle

Neruda„, Regie: Pablo Larraín, DarstelerInnen: Gael García Bernal, Luis Gnecco, Gabriel González Videla, Delia del Carril; Kinostart: 23. Februar 2017, auf DVD: ab 25. August 2017

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