„Radio Silence“ von Marco Riedl und Carsten Vauth – Genrenale 3


Radio Silence“ greift jedes Klischee des Horror-Thrillers auf. Während die Polizei erfolglos nach dem Täter jagt, bekommt ein angeblich Außenstehender die Chance, den Verbrecher zu fassen. Die Frauen, die im Film vorkommen, sind allesamt nach dem gleichen Schönheitsideal ausgewählt, vollbusig und schlank, Modeltypen halt. Dem späteren Opfer sieht man nackt beim Duschen zu. Sie verkörpern im Wortsinn das schwache Geschlecht, dadurch sind sie einfache Beute. Selbts nachdem man ihnen eine Hand abgesägt hat, bleiben sie erotische Projektionsflächen.

Der Film hat außer seinen Schauspielern und Machern nichts Deutsches, sondern ist konsequent nach US-amerikanischen Vorbildern stilisiert. Der große Teil der Protagonisten trägt amerikanische Namen, der Radiosender heißt „Nighthawk“ (Nachtfalke), in einem der Zimmer steht die Flagge einer US-amerikanischen Rugby-Mannschaft auf dem Tisch, das eine Auto ist ein Ford aus den 1950er Jahren, in der Villa von Doc Rock steht ein typischer amerikanischer Kühlschrank, und so weiter. Mutiger und ergiebiger wäre es vielleicht gewesen, den Film vor dem Hintergrund deutscher Lebensrealität spielen zu lassen.

Die Führung und Interaktion der Schauspieler wirken ungeschickt und steif. Alle Figuren sprechen in einem gemächlichen Tonfall und stets mit spannungserfüllter gedämpfter Stimme. Zur Besetzung gehören Markus Knüfken (bekannt zum Beispiel aus „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding„, 1999) in der Rolle des überfordeten Doc Rock, Charles Rettinghaus (vor allem als Synchronstimme für Jean-Claude Van Damme, Robert Downey Jr., Vin Diesel und anderen tätig) als psychopathischer „Nachtschlitzer“ und Roland Nitschke als etwas farbloser Polizist Brix.

Formal wie inhaltlich ist nichts Neues oder Eigenständiges an „Radio Silence“ festzustellen. Das Motiv des Radios als eigenständiger Mikrokosmos, als subversives Sprachrohr und anonymes Kontaktmedium zwischen egozentrischen Selbstdarstellern hat Tradition. Im Horrorfach denke man an „Pontypool – Radio Zombie“ (2008) des kanadischen Regisseurs Bruce McDonald mit einem kratzbürstigen Radiosprecher Stephen McHattie. Bis zuletzt ist hier die Spannung aufrecht erhalten, die Schockeffekte sind effektiv eingesetzt und das Blut fließt reichlich. Bluttrünstig ist auch „Radio Silence„, die Spannung flacht allerdings immer wieder ab und muss durch den übertriebenen Einsatz von entsprechender Musik an der richtigen Stelle künstlich wieder aufgebaut werden.

Radio Silence“ erinnert auch an die „Saw„-Horroreihe, in der es auch darum geht, auf den ersten Blick Unschuldige gegeneinander aufzuhetzen und sie zum Äußersten zu treiben, indem man ihnen die Hoffnung suggeriert, sich damit retten zu können. Diese Ebene ist die interessanteste an „Radio Silence„. Es stellt sich heraus, dass Doc Rock ein noch viel schlimmeres Verbrechen begannen hat, als er zugibt. Der anfängliche Sympathieträger erleidet einen entscheidenden Image-Einbruch.

Radio Silence“ ist voller unfreiwilliger Komik. Die Dialoge sind extrem einfach, das Ganze geht stark auf den Trash zu, unter anderem mit dem direkten Zitat aus „Shining„, als der „Nachtschlitzer“ durch einen Türspalt sieht und ruft: „kommt raus, kommt raus, wo immer ihr seid“, wie es auch der verrückgewordene Jack tut. Der Film weist auf das Trashige bezogen zudem eindeutig Parallelen zu den Edgar Wallace-Filmen auf. Inwiefern diese Komik beabsichtigt ist, wird nicht klar, um als durchgehendes Charakteristikum wahrgenommen zu werden, hätte sie konsequenter eingesetzt werden müssen.

Teresa Vena

Radio Silence„, Regie: Marco Riedl, Carsten Vauth, Darsteller: Markus Knüfken, Charles Rettinghaus, Roland Nischke, DVD-Ausgabe: ab 27. Februar 2015

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