„Son of Saul“ von László Nemes



So ist das Mitwirken der jüdischen Gefangenen beim Sonderkommando ein reiner Überlebenskampf, mithilfe dessen die KZ-Führung versucht, die eigene Teilnahme und die Zeugenschaft am Genozid einzuschränken. Darin offenbart sich die pseudowissenschaftliche Grundlage der Naziideologie, mit welcher diese das Vorgehen zu legitimieren versucht. Als Saul einen Arzt fragt, ob der Körper seines toten Sohnes gegen eine andere Leiche ausgetauscht werden kann, erklärt ihm dieser, dass daran eine Autopsie durchgeführt und dokumentiert werden muss. Aber auch Abläufe des Widerstandes im Verborgenen werden dargestellt, ein Gefangener versucht mit einer Fotokamera, das Geschehen zu dokumentieren, um die Bilder in die Öffentlichkeit schleusen zu können. Ein anderer schreibt über das Lager und vergräbt seine Notizen. Ein paar Gefangene verstecken ein Päckchen mit Schießpulver, um damit die Öfen in die Luft zu jagen.

Die letzten Überbleibsel der Menschlichkeit zeigen sich in kleinen Gesten. Das Unterfangen des jüdischen Begräbnisses, welches Saul für seinen Sohn arrangieren möchte, mag angesichts des gezeigten Umfelds ziel- oder zwecklos erscheinen. Es ist jedoch ein Versuch, seinem toten Sohn einen letzten Akt der Menschenwürde innerhalb der unmenschlichen Vorgänge des Nationalsozialismus zu erweisen.

Son of Saul“ konnte sowohl den großen Preis der Jury bei den Filmfestspielen in Cannes, als auch den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewinnen. Es ist ein eindrückliches filmisches Mahnmal gegen den Holocaust, das mit seiner herausragenden Wahl der Stilmittel den Schrecken auf die Leinwand bannt. Der Film funktioniert sowohl als ernsthafte politische Analyse des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, als auch als packender moralischer Appell an die Menschlichkeit.

Henning Koch

Son of Saul“ (OT: „Saul fia„), Regie: László Nemes, Darsteller: Géza Röhrig, Levente Molnár, Urs Rechn, Todd Charmont, Kinostart: 10. März 2016

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