„System Error“ von Florian Opitz


"System Error" zeigt ein Karl Marx Denkmal in Chemnitz (ehemals: Karl Marx-Stadt). © Port au Prince Pictures 2018

„System Error“ zeigt ein Karl Marx Denkmal in Chemnitz (ehemals: Karl Marx-Stadt). © Port au Prince Pictures 2018

Das Kapital 2.0! Wachstum als Naturgesetz!?

Steht das Ende des Kapitalismus bevor? Florian Opitz neuer Film „System Error“ argumentiert dafür. Dazu entwirft „System Error“ erst eine kurze Geschichte der Entwicklung des Kapitalismus von den 1950er Jahren bis heute, die kurzweilig Archivmaterial verknüpft. In den Zeiten erhöhter Produktivität in den Nachkriegsjahren entsteht ein Leitparadigma, das uns bis heute begleitet: Mehr Wachstum ist ein Garant für mehr Wohlstand. Daraus wird abgeleitet, dass die Erschließung der natürlichen Ressourcen und die Modernisierung der Gesellschaft sich endlos vollziehen lassen, solange es Innovation gibt.

Opitz bringt einen an die Orte, wo heute massiv investiert wird, und der Traum des vergangenen Jahrhunderts weiter geträumt wird: in die sogenannten Schwellenländer, beispielsweise ins brasilianische Mato Grosso. Dort, wo vor 20 Jahren noch unberührte Natur vorhanden war und indigene Stämme lebten, ist nun das Zentrum der brasilianischen Agrar- und Fleischindustrie. Argino Bedin, einer der größten Sojaproduzenten der Gegend, zeigt stolz sein Imperium aufbauend auf Monokulturen, Pestiziden und einer globalen Marktwirtschaft. Bedin bemängelt die Umweltschutzvorschriften der Regierung und versichert, dass er sich um Gesetzesänderungen mit Hilfe von Lobbyverbänden bemüht. Der Rinderzuchtexperte Matheus Vieria resümiert über das Zukunftspotential der Region, mit technischer Innovation und mit dem zur Verfügung stehenden Land sei kein Ende der Erfolgsgeschichte in Sicht. Hier treiben noch Cowboys das Vieh und die Welt des Finanzkapitalismus scheint in Ordnung.

Im Film kommt unter anderen auch Andreas Gruber Chefinvestor der Allianz Versicherungen zu Wort. Er verantwortet über 600 Milliarden Euro Investitionsvolumen. Er lässt das Geld des Ottonormalverbrauchers aus Lebens- und Autoversicherungen insbesondere in eben solche Zukunftsmärkte fließen. Jeder Einzelne ist unbemerkt Teil des Systems. Verkauft werden prognostische Renditen und so der Glaube daran, dass es ein sicheres Investment gibt – und unbemerkt auch das Dogma, dass die Wirtschaft grenzenlos wachsen kann. Gruber sagt es ganz klar, er kann sich ein Wirtschaftssystem, das nicht auf Wachstum aufbaut, nicht vorstellen. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Die Zukunft ist jetzt und heißt Hochfrequenzhandel. Nicht mehr Ökonomen und Politiker regulieren die Finanzmärkte, sondern Glasfaserkabel und Informatiker. Haim Bodek entwickelt seit Jahren Software für die digitale Revolution des Finanzkapitalismus. Er selbst beschreibt es in etwa so: er beobachte den Logarithmus beim Arbeiten und überprüft, ob er sich so verhält, wie er es programmierte. Der Mensch nur noch als Beobachter eines System, das mehr leisten zu vermag als er selbst: Entscheidungen in Millisekunden. Doch ist das sinnvoll? Die Entkopplung der Finanzmärkte vom realen Gegenwert ist seit den 1980er Jahren systemimmanent. Geld zirkuliert um seiner selbst willen. Schneller und schneller.

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