„Tausend Arten Regen zu beschreiben“ von Isa Prahl
Während Nachbarn und Freunde glauben, Mike befände sich als Austauschstudent in Ohio, zerbricht die Familie ganz allmählich hinter der Fassade ihres Reihenhauses. Mikes Rückzug hat auch sie von der Außenwelt isoliert. Sie schämen sich für den Sohn, sie beleidigen ihn und flehen ihn an. Besonders deutlich wird die familiäre Situation als Thomas einen Zettel mit der Frage „Warum machst du das???“ unter der Tür durchschiebt und Mike den Zettel unbeantwortet zurückgibt. Der Film macht klar, dass ein so drastisches Verhalten nicht monokausal zu begründen ist. Vielleicht kennt Mike die Antwort selbst nicht, vielleicht passt sie auch einfach nicht auf ein Stück Papier.
Isa Prahls Film, der bereits beim A-Festival Black Nights in Tallinn mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, hat einen überzeugenden dramaturgischen Aufbau, verliert im letzten Drittel des Films aber stetig seinen subtilen Ton. Die Reaktionen der Familie schlagen ins Extrem aus. Der Vater verliert sich in der Arbeit, die Tochter im Exzess. Besonders die Geschichte rund um Mutter Susanne, die einen alten Schulfreund (Louis Hofmann) von Mike als Substitut für ihren Sohn missbraucht, schlägt einen unnötig pathetischen Ton an. Der Zuschauerin wird die Transferleistung abgenommen, die emotionalen Bedürfnisse der Figuren werden zu direkt benannt. „Wut, Trauer, Machtlosigkeit, Schuldgefühle“ scheint ihnen auf die Stirn geschrieben zu stehen, wenn sie wieder einmal vor Mikes Tür ausharren. Immer in der Hoffnung, dass er ein Lebenszeichen von sich gibt. Zumindest einen weiteren Zettel mit einer Beschreibung von Regen.
Emily Grunert
„Tausend Arten, den Regen zu beschreiben“ (oder auch: „1000 Arten Regen zu beschreiben„), Regie: Isa Prahl, Darstellerinnen: Bibiana Beglau, Bjarne Mädel, Emma Bading, Louis Hofmann, Janina Fautz, Kinostart: 29. März 2018