„The Bling Ring“ von Sofia Coppola


Diesen Teenagern stehen die Türen der Stars offen. Foto: Tobis Filmverleih

Diesen Teenagern stehen die Häuser der Stars wortwörtlich offen. Foto: Tobis Filmverleih

Die schöne Leere

Neid ist in der modernen Gesellschaft ein guter Bekannter. Geld, Grundbesitz, Macht, Intelligenz, soziale Kompetenz, natürliches Ebenmaß – es gibt vieles, auf das der moderne Mensch mit Missgunst blicken kann. Die Medien füttern uns ja täglich mit neuen Gelüsten. Mehr Luxus, mehr Wohnraum, mehr SUVs, mehr Prada, mehr Design und dazu Biofleisch und Meditation. Mehr vom Bling-Bling darf es immer sein. Selbst ein Fahrrad ist heute mehr Designobjekt als Transportmittel. Man kann sich also durchaus zu der Ansicht versteigern, dass Statussymbole mehr denn je das menschliche Miteinander aushöhlen, so man nicht schon ganz der Misanthropie verfallen ist.

Sofia Coppolas „The Bling Ring“ vollzieht diesen einspurigen Kasakadeneffekt auf den ersten Blick recht eindrücklich. Eine Gruppe von Teenagern zieht in den Hollywood Hills los und beklaut die, die vom materiellen Reichtum genug haben. Sie brechen in die Häuser angesagter Hollywoodstars wie Paris Hilton und Lindsay Lohan ein und klauen, was eben da ist. Ringe, Uhren, Designerkleider, Autos. Meist ist das recht wahllos. Schick muss es sein  – und teuer. Als Zuschauer freut man sich über so viel Verblendung, denn wo sich in anderen Filmkunstwerken die Diebe zu Experten mausern, gibt es bei diesen Teenagern keine Qualifikation in der Berufung. Dem „Bling Ring“ geht die Fähigkeit zu Konzentration tatsächlich vollends ab. Sie haben meist nur Glück, die Türen zu den Häusern stehen offen. Stattdessen geht es um Schein, um eine pinke, ätzend-neonfarbende, oft aber auch nur unterbelichtete Glitzerwelt, an der sie im eigenen Leben nicht teilhaben können. Ihre Befangenheit beziehen sie durch die Massenmedien. Soziale Netzwerke wie Facebook spenden ihnen Nähe. Google gibt ihnen die Orte preis, die sie ausrauben können.

Was für eine schöne Ironie diese Geschichte bereithält: Die Jugend mit ihren Ikonen und Leitbildern schwingt sich selbst zu den Vorbildern auf und entdeckt die Leere in der Kopie. „The Bling Ring“ zeigt eine Welt ohne Wertschöpfung, das Diebesgut wird auf der Straße verramscht – was nachvollziehbar ist, denn wofür ist Luxus da, wenn nicht zur Verschwendung –  und in Drogen, Partys und Rauschzustände umgesetzt. Das ist die angenehme Seite von Coppolas Film. Die Regisseurin zeigt eine geisttötende Einöde, in der Partys, Drogen und Verschwendung einen unteilbaren Kreislauf ergeben, in der keine Freundschaften existieren und in der am Ende jeder sich selbst der Nächste ist. Alles ist austauschbar, vor allem in dem Maße, in dem es verbraucht werden kann.

Aber reicht das zur großen Gesellschaftsparabel, die sich Coppola vorgestellt hat? Das größte Problem offenbart die Regisseurin tatsächlich selbst, denn sie begnügt sich mit einer Beobachterposition.Viel zu oft bleibt ihre Annäherung an die Gruppendynamik der Gang vage, der Blick auf die einzelnen Mitglieder ist rätselhaft verkrampft. Manchmal scheint es sogar, als würde Coppola selbst einen tiefsitzenden Ekel gegenüber der Erzählung und ihren Protagonisten empfinden. Gleichwohl instinktlos wabert ihr Blick über das Geschehen. Dabei würde die reale Begebenheit, die dem Drehbuch zugrunde liegt, tatsächlich einiges mehr an Ansätzen bieten. Hinter der Fassade dieser Jugendbande, die viel zu oft ärgerlich beflissen zwischen individueller Akzeptanz und Gruppenzwang pendelt, offenbart sich nämlich ein gut sichtbares Debakel der modernen Gesellschaft: Wer alle Grundbedürfnisse befriedigt hat, dem fehlt es an Entbehrung, am Wunsch und damit an der Wirklichkeit. Der Lifestyle sogenannter Stars und Sternchen, er färbt nicht ab, er ist ein allgemeiner Zustand, in dem „jeder den Preis von allem, aber von nichts den Wert kennt“, wie es bereits Oscar Wilde zu berichten wusste.

Martin Daßinnies

The Bling RingRegie/Drehbuch: Sofia Coppola, Darsteller: Emma Watson, Leslie Mann, Stacy Edwards, Brenda Koo, Taissa Farmiga, Erin Daniels, Gavin Rossdale, Kinostart: 15. August 2013