„Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch“ im Mai 2011


Bei „Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch“ bringen wir einmal im Monat wichtige Köpfe der Berliner Filmlandschaft an den Tisch des Restaurants Mesa im Hyatt. In unserer Mai-Ausgabe unterhielten sich Studio Babelsberg-Geschäftsführer Christoph Fisser Nicola Galliner, Leiterin des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Potsdam sowie Filmkritiker Matthias Dell (der Freitag) über Filmproduktion in Berlin und Brandenburg, Medienhysterie und Filmkritik sowie Film- und Videopiraterie.


Zu Beginn dreht sich erst einmal alles um „Der Wolkenatlas„, der in Christoph Fissers Studios in Babelsberg gedreht werden soll. Einer Multi-Millionen-Dollar-Produktion mit Tom Hanks in der Hauptrolle und gleich drei Regisseuren: Den Wachowski-Geschwistern und Tom Tykwer. Noch ist aber nichts offiziell.

Christoph Fisser: Die Wachowskis waren schon oft bei uns. Für „Speed Racer“ und auch bei „V For Vendetta„. Seit die großen Produktionen regelmäßig hier sind, findet ein ungeheurer Knowhow-Transfer statt, wovon die deutschen Crews und Produktionen immens profitieren. Gerade was die 3D-Technik betrifft. Wir drehen gerade die große Paramount-3D-Produktion „Hansel & Gretel„, einen Horrorfilm mit großem Budget. Er folgt eher der brutalen Urfassung, darum auch der Beiname „Witch Hunters„. Hansel und Gretel jagen Hexen. Ein blutiger, stark besetzter Film, der Spaß macht. Daneben arbeiten wir an vielen deutschen Projekten, wie etwa „Russendisko“ oder Helmut Dietls neuem Film „Zettl„.
Matthias Dell: Wie viele Projekte können Sie zeitgleich umsetzen?
Fisser: Wir hatten „Speed Racer„, Tykwers „The International„, „Valkyrie„, „Der Vorleser“ und drei deutsche Projekte parallel, das ging an die Grenzen.
Berliner-Filmfestivals (BFF): „Speed Racer“ war aber ein Rückschlag.
Fisser: Rückschlag würde ich nicht sagen. Eher ein herber Flop. Das Buch war gut. So gut, dass alle derart begeistert waren, dass sie schon an die Sequels dachten und so lange änderten, bis irgendwann die Geschichte nicht mehr funktionierte. Für den Standort Berlin war wichtig, dass zu beobachten war, dass hier mehrere Filme gleichzeitig gedreht werden können. Von Studio-Seite hat alles hervorragend funktioniert. Alle an „Speed Racer“ Beteiligten, sind immer wieder gekommen. Von Warner über Joel Silver, mit dessen Firma Dark Castle wir eine strategische Allianz eingingen. „Unknown Identity“ lief gerade in den Kinos.
BFF: Auch auf der Berlinale.
Dell: Bruno Ganz spielte darin einen Stasi-Mitarbeiter.
Fisser: Das Buch und die Rolle von Ganz wurden umgeschrieben, ursprünglich hätte der Film in Paris spielen sollen.
Dell: Interessant fand ich die amerikanische Perspektive auf diese Stasi-Figur, die anders wahrgenommen wird, einfach als ein Geheimdienstmann.
Fisser: Der Film spielt, anders als „Das Leben der Anderen„, in einer Zeit deutlich nach der Stasi.
Dell: Ich weiß nicht, ob ein deutscher Blick auf die Figur so möglich gewesen wäre. Sehr unideologisch und gerade deshalb interessant. Wobei ich Bruno Ganz als nicht so glaubwürdig empfand. Seit dem „Untergang“ sehe ich da immer diesen method geacteten Hitler.
Fisser: Das finde ich nicht. Bruno Ganz ist ein herausragender Schauspieler. Den hatten wir beim „Vorleser“ auch dabei.
Dell: Mir hat die Figur gefallen, gerade weil sie für mich nicht hinhaut auf so einer realistischen Ebene. Bruno Ganz spielt den Major nicht so, wie man ein einen alten Stasi-Menschen vorstellen würde. Kann er wahrscheinlich gar nicht.  Das fand ich aber gerade gut, weil es Muster aufbricht.
Fisser: „Unknown Identity“ ist ein Werbefilm für Berlin, da er fast ausschließlich in Berlin gespielt hat. Während zum Beispiel „Bourne„, von dem es heißt, er sei in Berlin gemacht, auch viel in Moskau spielte. Das ist Berlin und das sieht man in jeder Einstellung.

Mesa im Hyatt

Mesa im Hyatt

BFF: In ihren Studios bauen Sie auch Kulissen wie das New Yorker Guggenheim Museum nach…
Fisser: Das war für „The International„. Wir haben es komplett nachgebaut. Das Guggenheim-Motiv war recht teuer, aber die Amerikaner legen sehr viel Wert darauf, auch an den Originalschauplätzen zu drehen, was in dem Fall nicht möglich war. Ähnlich bei „Unknown Identity„, wofür wir das Adlon nachgebaut hatten, das im Film explodierte. Das wollten die dort nicht.
Nicola Galliner: Versteht man gar nicht. Eine schöne Chance auf ein neues Hotel.
BFF: Es heißt häufig, dass Berlin sehr entgegenkommend sei, was Drehgenehmigungen angeht.
Fisser: Absolut. New York ist ähnlich, die versuchen alles möglich zu machen. Wir haben gerade den Großen Stern nächtelang blockiert.
Dell: Wie erklären Sie sich das, die Berliner Offenheit?
Fisser: Das liegt auch sehr an Wowereit. Dieser Tage erzählte Tom Tykwer im Medienausschuss, wie kompliziert es in Berlin war, als er angefangen hatte und er von Bezirk zu Bezirk rennen musste, um Genehmigungen zu bekommen. Das hat sich in den letzten zehn Jahren ganz stark gewandelt. Es bringt Berlin unheimlich viel. Es wird wegen der Filme so viel über Berlin berichtet. Unabhängig vom Erfolg in den Kinos. Während der Dreharbeiten zu „Operation Walküre“ geht Katie Holmes mit Suri in den Zoo und darüber werden 800 Artikel geschrieben, in denen der Film nicht mal erwähnt wird. Ähnlich bei Tarantino und Brad Pitt, als die „Inglourious Basterds“ drehten. Über die wurden zehntausende Artikel im Bezug zu Berlin geschrieben.
BFF: Es ist im Bereich des Möglichen, dass Wowereits Amtszeit bald endet. Hätte das Auswirkungen?
Fisser: Ich glaube das nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass sich in Berlin etwas ändern würde. In München spülen fünf DAX-Unternehmen Geld in die Kassen. Der Medienbereich und die Kreativwirtschaft sind ganz wichtig für Berlin.
BFF: Ist das nicht der Punkt, an dem sich die Festivals mehr Unterstützung von der Politik oder Wowereit wünschen würden?
Galliner: Absolut. Das ist das, was Berlin ausmacht. Die Berlinale plus 50 bis 60 Festivals. Man sollte die etwas besser pflegen. Wir werden nächstes Jahr 18. Volljährig. Wir würden uns da irgendeine Form der Festivalförderung wünschen. Das sage ich nicht nur für mich, sondern für alle Festivals. Sie stehen für das Image Berlins und seine Kreativität.

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