„Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ von Jessica Hausner


Emily Beecham wurde für ihre Rolle in „little Joe“ in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. © COOP99, The Bureau, Essential Films

Glück im Spiel, Pech in der Liebe

Stell dir vor: Du bist nicht du selbst, doch merkst es nicht. Du bist nicht mehr du selbst und veränderst dich, bist abgestumpft, kühl, eine andere Person. In Jessica Hausners erster englischsprachigen Produktion „Little Joe – Glück ist ein Geschäft“, die 2019 im Cannes Wettbewerb lief, wird das Leben der alleinerziehenden Mutter Alice (Emily Beecham) und ihrem 13-jährigen Sohn (Kit Connor) auf den Kopf gestellt. Als Botanikerin hat Alice mithilfe ihres Kollegen Chris (Ben Whishaw) eine purpurrote Pflanze erschaffen, die eine einzigartige Wirkung versprüht. Bei idealer Raumtemperatur und ausreichender Zuwendung macht ihr Duft glücklich, denn die Pollen enthalten eine Vorstufe des Mutterhormons Oxytocin, das stimmungshebend ist.
Heimlich nimmt Alice eine der Pflanzen für ihren Sohn Joe mit nach Hause, sie nennen sie „Little Joe„. Doch je weiter die Pflanze wächst, desto mehr verändert sich ihr Sohn. Er distanziert sich von ihr, trifft sich mit einem Mädchen aus der Schule und das Schlimmste von allem: erzählt seiner Mutter von gar nichts mehr. Die enge Mutter-Sohn-Bindung kippt. Nachdem Alices Kollegin Bella (Kerry Fox) ihren geliebten Hund, der versehentlich Pollen eingeatmet hat, nicht mehr wiedererkennt, beschleicht Alice der Verdacht, dass ihre zunächst so einwandfrei geglückte Erfindung ungeahnte Nebenwirkungen haben könnte.

In faszinierend schönen Bildern erzählt Hausner mit „Little Joe“ einen bestechend bösartigen Psychothriller mit Science-Fiction-Elementen, der als kritische Metapher auf kapitalistisches, neoliberales Denken und den Optimierungswahn einer Gesellschaft funktioniert, die dem Glück hinterher rennt und alles pathologisiert und therapiert. Sowohl für Alices Chef als auch für ihren Kollegen Chris steht die kommerzielle Nutzung der Pflanze im Vordergrund, ungeachtet der vermeintlich desaströsen Nebenwirkungen. Selbst verbotene Züchtungsmethoden vertuscht Joes Chef, um mit Little Joe an der „Flower Fair“ teilzunehmen, die Pflanze weltweit verkaufen zu können und so die Mechanismen von Geld und Macht zu bedienen.

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