Protokoll der Ernsthaftigkeit: Eindrücke der globale10


Das Kinoprogramm der sechsten Ausgabe des globalisierungskritischen Filmfestivals globale fand am Sonntag (6. Juni) mit einer Führung durch das Deutsche Historische Museum und einem Screening von Mumienfilmen an der Temporären Kunsthalle auf dem Schlossplatz sein Ende. Für die Macher eine logische Konsequenz, denn kein Kinosaal hätte den Anspruch des Festivals besser spiegeln können.

Also rollen wir die Tage – und somit diesen Bericht vom Festival – von hinten nach vorne auf. Eben diese Aktionen abseits des Kinosaals sind es, die die von einer basisdemokratischen, offenen Gruppe organisierten Tage, klar von all den anderen Filmfestivals der Stadt abgrenzt.

Der globale geht es um die „Sichtbarkeit drängender politischer Konflikte und deren Diskussion und Gegenwehr„, wie sich das Filmfestival selbst auf der eigenen Website beschreibt. So eben auch bei der Aktion am Schlossplatz, auf dem das Berliner Schloss aka Humboldt-Forum dank des schwarz-gelben Sparpakets entweder nie oder am St. Nimmerleinstag entstehen wird. Was wiederum die globale-Macher – denen sicherlich keine Regierungsnähe zu unterstellen ist – in die Karten spielte, da sie besagtes Humboldt-Forum äußerst kritisch betrachten und deshalb an die dortige Temporäre Kunsthalle Mumienfilme projizierten, um so auf „die von Gewalt und Enteignung gezeichnete Geschichte des kolonialen Sammelns, des ethnographischen Erschließens und archäologischen Forschens“ aufmerksam zu machen.

Revolution

Vogliamo anche le rose

Vogliamo anche le rose

Die Mischung aus Filmprogramm und Aktion (oder wenigstens Workshop) zog sich durch alle Sektionen des facettenreichen Programms, das auf vielfältige Schwerpunkte und Themen wie Gentechnik, Israel und Gentrifizierung bis hin zur Sexuellen Revolution setzte. Zum Konzept der globale gehört es zu den jeweiligen Themenkomplexen auch Experten einzubeziehen. Zum Thema Sexuelle Revolution stellte das PornFilmFestival Berlin Berlin zwei Filme vor und wärmte sich so fürs eigene Festival (von 28. bis 31.10. im Moviemento) auf. Gezeigt wurden am 2. Juni die beiden Filme „Vogliamo anche le rose„, der die feministische Bewegung in Italien in den 1960er und 70er Jahren anhand Tagebucheinträgen dreier Frauen portraitiert, und die Doku „Pornoprotokolle“, in dem sich Akteurinnen der Pornoindustrie und Vertreterinnen der Queer-Szene, die mit Pornographie als emanzipatorischem Mittel arbeiten, begegnen. An den anschließenden Diskussionen nahmen die Regisseurin Alina Marazzi, Julia Poliak (Ko-autorin und Kamerafrau von „Pornoprotokolle“) und Jürgen Brüning (PornFilmFestival Berlin) teil.

Migration

Eine weitere globale-Aktionen fand im Rahmen des Themenkomplexes „Migration“ am „Ausreisezentrum“ Motardstraße, der zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Berlin-Spandau, unter dem Motto und Filmtitel „Das Boot ist voll und ganz gegen Rassismus“ am 30. Mai statt. Dort solidarisierten sich Festivalbesucher und Vertreter der Flüchtlingsbewegungen „Karawane“ und „The Voice“ mit den in Wohncontainern untergebrachten Bewohnern. Das gemeinsame Ziel lautete: Menschenunwürdige Flüchtlingsunterkünfte schließen! Während sich die erwachsenen „Insassen“, der als „Ausreisezentrum“ berüchtigten Heimstätte, zu Beginn eher reserviert verhielten – später dann aber durchaus das Gespräch suchten, waren es vor allem die Kinder, die beim Malen und Feiern ihren Spass hatten.

Das Screening des Films „Das Boot ist voll und ganz gegen Rassismus“ wurde am Ende zur Nebensache, gab letzlich aber den Anstoß für eine Solidarisierung mit Hilfebedürftigen in Deutschland, deren Belange zwischen Wirtschaftskrise, Kopfpauschalen und Eurovision Song Contest, gerne einmal untergehen. Unser Video-Redakteur Christian Körner war mit seiner Kamera vor Ort und hat uns diese Eindrücke mitgebracht:

sudeuropa

sudeuropa

Ebenfalls im Segment „Migration“ stand am 31. Mai „Sudeuropa“ (von den beiden Regisseuren Maria Iorio und Raphael Cuomo) auf dem Programm, der laut Ankündigung die Entstehungsbedingungen und die beabsichtigten Wirkungen von Bildern am Beispiel der italienischen Insel Lampedusa hinterfragen wollte. Die Regisseure verweigern sich in ihrer Dokumentation den gängigen Mustern von Nachrichten-Kurzberichterstattung, die oft mit sehr konzentrierten, extremen Bildern arbeitet.

Statt sich dem Diktat eines so nahe dran wie nur möglich zu beugen, beobachten sie bedächtig und ausführlich ihr Objekt. Dabei decken sie exemplarisch auf, das (deutsche) Medien offenbar auch fernsehtaugliche Bilder kreieren und somit manipulieren. Bemerkenswert und zugleich schade ist, dass sich die Regisseure mit ihrem entschleunigten, Sehgewohnheiten bewusst konterkarierenden, Film selbst ein Bein stellen, da seine Ästhetik und Erzählweise letztlich schlicht langweilig gerät. Womit abschließend festzustellen ist, dass Information – um deren Entstehungsweise geht es schließlich – sicherlich nicht so weit verknappt (oder gar fingiert) werden darf, bis ein passendes Ergebnis feststeht, sie aber dennoch auch nicht mit endlosen Kamerafahrten aufgebläht werden sollte. Statt der gezeigten 40, hätten vermutlich auch fünf Minuten die Geschichte „Sudeuropa“ erzählen können. Inhalt sollte die Form ebenso wenig diktieren, wie umgekehrt.

Die globale lebt von ihrem Mut und ihrem Willen, den Finger in Wunden zu legen und nutzt dafür das Medium Film. Dabei lassen die Macher die interessierten Besucher nicht mit den neugewonnen Eindrücken zurück, sondern kümmern sich auch darum, diese thematisch zu unterfüttern oder zeigen Möglichkeiten der Teilnahme bzw. des Protestes auf. Ein ebenso ambitioniertes, wie schwieriges Unterfangen, das bei einem so breiten Themenspektrum wie in diesem Jahr nicht immer funktionierte. Vielleicht könnte eine Konzentration auf eine kleinere, aufs essentielle reduzierte Themenauswahl nützlicher sein.

Denis Demmerle

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