“Provinz ist nicht zwingend ein Ort des Stillstands.”


Auf welche Filme sollten die Zuschauer besonders achten?
Zippel:
Es ist schwer, aus der Vielzahl der guten Einreichungen etwas herauszustellen. Viele der filmischen Beiträge gehen auf ganz eigenwillige, besondere Weise mit der Thematik um. Dabei gelingt es oft den leisen, scheinbar unspektakulären Geschichten bewusst vom Zuschauer wahrgenommen zu werden.
Mich persönlich hat der Film „Tobacco Girl“ berührt. Eine 30 minütige Dokumentation, die sich nicht auf der starken Protagonistin ausruht, sondern eine hohe soziale Spannung zeigt, unter der Frauen in dieser Region Makedoniens zu leben haben.

Warum?
Zippel:
Die filmischen Mittel sind souverän eingesetzt, schnelle Bewertungen werden vermieden. Bei den gezeigten Gesprächen glaubt man manchmal, sich verhört zu haben, weil kaum zu begreifen ist, wie unter den Bedingungen dieses Traditionalismus‘ noch weibliches Selbstbewusstsein wachsen kann. Dass Provinz in anderen Teilen Europas etwas anderes bedeutet als bei uns wird hier greifbar. Und gern wüsste man, wie dieser Konflikt wohl ausgeht.

Erwarten Sie Regisseure oder Hauptdarsteller?
Zippel:
Ja, wir freuen uns auf Gäste aus Russland, Spanien, Israel, Finnland und natürlich aus Deutschland. Manche bleiben für einen Tag, andere gleich für die gesamte Festivaldauer und bereichern so natürlich auch die Atmosphäre.

Das Wettbewerbsprogramm begleiten zahlreiche Sonderprogramme (mit insgesamt 38 Filmen). Darunter auch „Kinshasa Symphony“, der bei der Berlinale seine Premiere feierte und seit dem 23. September auch im normalen Kino läuft. Wieso zeigen Sie ihn in Eberswalde?
Zippel:
„Kinshasa Symphony“ ist ein beeindruckender Film. Auch wenn er nicht zwingend in das Thema Provinz passt, war er nach Meinung des Programmbeirates eine der stärksten Einsendungen in diesem Jahr. Er lenkt unseren Blick auf Bürgerkrieg, Armut und Kriminalität in Kinshasa. Und dennoch transportiert der Film Zuversicht. 200 Musiker treffen sich regelmäßig, um mit selbstgebauten Instrumenten Verdi und Beethoven zu spielen, ohne dass alle Noten lesen können. Der Film porträtiert auf liebenswerte Art die meist mittellosen Menschen, die sich aber nicht aufgeben sondern unter schwierigen Bedingungen Kunst entstehen lassen.

Unter welchen Gesichtspunkten entstanden die anderen Sonderprogramme?
Zippel:
Nicht nur mit abendfüllenden Dokumentationen kann man sich der Thematik Provinz nähern. Auch Kurzfilme beschäftigen sich damit. Sie erzählen vom Weggehen und Ankommen, beleuchten den Facettenreichtum der Provinz. Neben den Wettbewerben werden beim diesjährigen Festival gleich mehrere Sonderprogramme gezeigt. Neben einem Kinderfilmprogramm am Sonnabend, 9. Oktober um 10:30 Uhr und einem Kurzfilmprogramm zum Thema Provinz gibt es die beiden Dokumentarfilme „Kinshasa Symphony“ und „Die große Pyramide“ zu sehen. Damit senden wir liebe Grüße aus der Provinz in die Welt.

Was passiert im Rahmenprogramm?
Zippel:
Wir wollen die Gäste nach dem Kinoerlebnis nicht allein lassen, sondern im Festival Club im Glaszwischenbau Raum für Gespräche und Begegnungen schaffen. Udo Muszynski hat ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Geöffnet ist täglich ab 17 Uhr. Immer nach dem letzten Filmblock gibt es dann noch Konzerte, Lesungen, Show. Mit dabei sind in diesem Jahr Hans Krüger, Volker Strübing, Martin „Gotti“ Gottschild & Sven van Thom, Electric Krause feat. Julia Hülsmann und Hacki Ginda. Wir freuen uns drauf!

Die Fragen stellte: Denis Demmerle

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