Festivalbericht vom 5. Pornfilmfestival

Porno Chic im Moviemento


Selbstredend

Selbstredend

Subjekt und Objekt

Nach „Herr der Rosetten„, „The Da Vinci Load“ und „Fick und Fotzi im Bumsbomber nach Thailand“ war es nur eine Frage der Zeit bis die Vampir-Schmonzette „Twilight“ ihre Würdigung in Pornoform erhält. In diesem Fall originell betitelt als „Twinklight„. Dass Shoppen und Poppen als Basiskompetenzen des modernen, kosmopolitischen Schwulen gelten, lässt sich schwer bestreiten und „Twinklight“ (Afton Nills) tut sein Bestes, um diese Klischees zu manifestieren. Im Universalraum Porno, wo jeder es mit jedem treibt, jeder jeden aussaugt, in diesem Raum unbeschränkter Hybridität, wird jede Art von persönlicher Besonderheit aufgelöst, um sie in folkloristische Zitate oder modische Accessoires zu verwandeln. Das geschieht ganz elementar durch den visualisierten Zugriff auf den Sex unter Männern, deren Ani generell allen offen zu stehen haben. Der Wunsch nach Liebe entsteht dort, wo Liebe nicht unmittelbar befriedigt wird. Es beginnt also dort, wo man dem Realen begegnet, also einer Welt, die man nicht selbstständig handhaben kann.

An dieser Stelle kommt der Vampir ins Spiel. Nicht ganz Subjekt, nicht ganz Objekt, verkörpert er das Reale. Er ist die personifizierte Selbstregulation. Er befriedigt alle Bedürfnisse und nimmt alle Wünsche. Das getrunkene Blut ist letztendlich nur ein Obolus für die erduldete Dauerfrustration leerer, zu Tode gelangweilter Subjekte, die mit sich selbst und ihren Beschränktheiten nichts anzufangen wissen. Ihr penetrierter Hintern ist damit letztlich die konkrete Utopie des definitiv beseitigten Mangels.

Ein bemerkenswertes Filmdebüt lieferte Ryan Sullivan mit seiner Dokumentation „Island„. Auf der Suche nach seinem älteren Bruder, der von den Eltern aufgrund seiner Homosexualität verstoßen wurde, stößt Sullivan bei seiner Recherche auf Porno-Videos des Bruders. Es handelt sich um Filme von Treasure Island Media, ein progressives Schwulen-Label aus San Francisco, das unter der Ägide des Regisseurs und Gründers Paul Morris weltweit als eines der berüchtigsten Hardcorestudios gilt. Sullivans Dokumentation bewegt sich auf zwei Ebenen. Einerseits beleuchtet er die Arbeiten am Set und das eingeschworene Team um Morris, andererseits macht er sich selbst zum Protagonisten, Morris heuert ihn als Kameramann bei „TIM“ an.

Damit hat Sullivan wortwörtlich den direkten Einblick in die Kunst- als auch Realwelten des Labels. Das verändert seinen Blickwinkel. Die Dokumentation über Morris und sein Wirken und die Suche nach dem verschollenen Bruder erhält eine weitere Ebene, die sich zu einer fast poetischen Betrachtung des Klimax entwickelt. „Island„, obwohl eine Dokumentation, zeigt etwas, das es trotz genauer Kameraausleuchtung in vielen Filmen des Festivals nicht zu sehen gab: Den Moment, in dem An- und Entspannung bei einem Orgasmus zusammenfallen. Die Begierde gelöscht scheint und sich im Gesicht der Porträtierten für den Bruchteil einer Sekunde eine selbstvergessene Leere ausbreitet. Roh, ehrlich und im Grunde banal. Aber wundervoll anzuschauen. Pornografie.

Text: Martin Daßinnies, Joris J.

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