Festivalbericht vom 5. Pornfilmfestival

Porno Chic im Moviemento


Bilder in der Lounge des Moviemento

Bilder in der Lounge des Moviemento

Mechanisierter Akt

Als weniger irritierender, zwar als „ambitionierter, narrativer Mainstreamporno“ angekündigter und letztendlich enttäuschend dumpfer Film, erwies sich „The Last Rose„. Regisseur David Stanley zeigt auf, welche Möglichkeiten der pornografische Mainstream mit den Jahren seiner Existenz verloren hat. „The Last Rose“ beginnt und endet als Klischee: Zwei Fremde treffen sich in einer leeren Wohnung und geben sich, fasziniert voneinander, ihrer Leidenschaft hin. Es ist nicht „Der letzte Tango in Paris„, den der Zuschauer hier in einer expliziten Fassung erlebt. Es ist ein Abgesang an die Natürlichkeit und das Nicht-Perfekt-Sein eines Körpers. Stanley zeigt zwar durchaus erzählerische Qualitäten und auch Hauptdarstellerin Sasha Grey überzeugt in den Möglichkeiten ihrer Darstellung, aber die Plastizität der Körper und die Zurschaustellung eines mechanisierten Aktes gleicht einer Zumutung. Man wünscht sich Menschen, denen ganz banal vor Anstrengung der Schweiß vom Körper rinnt. Stattdessen zeigt Stanley die übliche Abfolge im professionellen Pornogeschäft: Oral, vaginal, dann Sperma ins Gesicht. Fertig. Ein wenig Uhhh, ein wenig Ahhh. Der potente Mann und die ewig unterwürfige Frau sind selbstreferentielle Klischees. Und Ermüdende dazu. Jeder schlecht ausgeleuchtete Amateurporno ist hier mutiger.

Auch in „Crying Wolf“ (Paul Thomas) sind solche Stereotypen vorhanden: die stets aufgegeilte, vollbusige Blondine, der Macho-Italiener, der Afroamerikaner mit dem großen Penis. Aber diese Charaktere bekommen durch die Kriminalhandlung etwas mit auf den Weg, was man im „reinen“ Porno so nie braucht: ein Innenleben. Es beginnt wie so oft: Ein Mann im Dreiteiler, eine Frau im kleinen Schwarzen. Ein Champagnerglas hier, ein Champagnerglas da. Dann drückt die Frau dem Mann ihren Slip in die Hand. Der Mann ist sich nicht sicher, ob es auch wirklich ihr Slip ist. Daraufhin hebt sie den Rock. Es folgen Cunnilingus, Analingus, Rein-Rein, Rein-Raus. Auf dem Küchentisch, auf dem Fußboden, auf dem Bett. Aber die Frau ist immer merkwürdig distanziert, macht sich noch über die Potenz ihres Partners lustig, bis er plötzlich wirklich nicht mehr kann. Schnitt. Ein schwarzer, muskulöser Mann betritt das Haus. Nach einem Dialogwechsel ist klar: der schwarze Mann soll die blonde Braut töten, gegen Geld. Was der Mann mit den Potenzproblem nicht weiß: Der schwarze, muskulöse Mann mit dem großen Penis und die Blonde stecken unter einer Decke.

Kondom-Installation

Kondom-Installation

Im Gegensatz zum Mainstream-Thriller, der im skizzierten Sinn an einer größtmöglichen Realität der Darstellung interessiert ist, erlaubt es der Porno, Sex zu zeigen, ohne in die Verlegenheit zu kommen, die Codierung von Sexualität zu ändern. Sie ist unumstößlich festgelegt und in all ihren Facetten ausgelotet, so, dass jeder Änderungsversuch prätentiös und larmoyant erscheinen muss. Es geht nicht darum, ein voyeuristisches Interesse zu befriedigen, sondern mittels der Nahaufnahme das Offensichtliche offensichtlich zu lassen, es in der letzten Konsequenz dadurch zu ironisieren. Interessant sind die kleinen Unterschiede beim gezeigten Sex. Während es zwischen der Blondine und dem Schwarzen durchaus hart, aber sinnlich zugeht, erscheint der Akt bei einer folgenden Party vulgär, brutal, eklig und lächerlich. Der Sex mit anderen Frauen, außer der einen speziellen Blondine, ist sportlich und dadurch unerotisch. Der Akt in der Anfangsszene bekommt durch das dialektische Verhältnis der Frau zu ihrem Partner einen spannenden Subtext: Sie opponiert in der Handlung durch Kooperation, die durch das gelegentliche Aufbegehren des Ichs unterbrochen werden und den Zuschauer mit einem Fragezeichen zurücklässt. Freilich treibt sie ein abgekartetes Spiel und letztendlich sind es nur projektierte Bilder an einer Leinwand, aber es ist mit Abstand eine der originellsten Duellszenen der letzen Jahre.

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