Interview: “Aus einem glücklichen Leben entsteht selten gute Kunst.”
Mit seinem Festival Around The World in 14 Films nimmt er seine Zuschauer in jedem Winter mit auf eine cineastische Reise rund um die Welt: Bernhard Karl, der Festivalleiter des Festivals der Festivals. Im Gespräch verrät er uns wie sein Programm entsteht, wie die 14 Stopps der Tour zustande kommen und erklärt er, was Filmestivals ausmachen.
Was ist das Besondere an Around The World in 14 Films?
Bernhard Karl: Das können andere natürlich viel besser beurteilen. Ich denke aber die Konzentration auf 14 Filme plus Specials in einem Zeitalter der totalen Überflutung von medialen Ereignissen. Ferner der Aspekt der „Weltreise“, da es eben genau einmal um die Welt geht. Und die Präsentationsform, dass 14 Paten – plus die für die Specials -, also Regisseure, Journalisten, Schauspieler und Kulturpersönlichkeiten persönlich sich eines Films annehmen und am Abend dem Zuschauer nah und unprätentiös, persönlich ansprechbar und unelitär vorstellen. Kommunikation als das zentrale „Ereignis“ eines Filmfestivals.
Entsteht die Filmauswahl intuitiv? Gibt es einen roten Faden, vielleicht ein Thema, das die diesjährigen Filme auszeichnet?
Karl: Ein großer Hang zum Authentischen und die Realität-suchenden, neben stark Artifiziellen, ganz eigenen Weltentwürfen. Je stärker die fiktionalen Welten, die uns umgeben, umso akribischer scheinen die Filmemacher eine filmische Wahrhaftigkeit zu suchen. Etwas was die Menschen und ihre Umgebung greifbar und be-greifbar macht. Auf der anderen Seite entstehen völlig eigene Erzählkosmen, die eine Art eigener „Überrealität“ suchen und philosophische Gegenwelten kreieren.
Warum gerade 14 Filme?
Karl: Als mir die Idee zu diesem Festival kam, habe ich alle Filme in Gedanken gesammelt, die ich in Cannes, Venedig, Locarno und anderen maßgeblichen Festivals herausragend fand und die nicht ins Kino kamen hier in Deutschland. Dann habe ich mir überlegt aus welchen Regionen der Welt die spannendsten Filme der davor liegenden Jahre kamen. So entstanden 14 Weltregionen, die so natürlich nicht allgemein haltbar sind.Diese Zahl 14 wurde dann irgendwann magisch und es blieb dabei. Da der jährliche deutsche Film bei uns ja als Spezial läuft, also sind’s 14+1, das ist sehr griffig.
Welche der Filmregionen hat in den letzten Jahren für besondere cineastische Bonbons gesorgt?
Karl: Zum einen ganz klar: Lateinamerika, und da besonders Mexiko. Daher läuft bei uns bisher immer EIN Film aus Südamerika und EINER aus Mexiko. Dann Fernost, unterteilt in Südostasien und Ostasien. Innerhalb der ostasiatischen Region war China über die letzten Jahre herausragend. Standard ist auch schon innerhalb Europas Rumänien. Absolut wichtig sind natürlich Frankreich und das amerikanische Indie-Kino. Filme aus dem Iran sind immer wieder einzigartig in ihrer meist verschlüsselten Filmsprache.
Woran liegt das?
Karl: Zum einen an regionalen Filmfördersystemen, die weit effizienter auf künstlerische Filme ausgerichtet sind, als in Deutschland. Also nicht nur und einzig an der späteren Fernsehauswertbarkeit und an unkünstlerisch-ökonomischen Förderkriterien orientiert. Und selbstverständlich auch am „gesellschaftlichen Druck“ der Macher. Im Iran, in China, auf den Philippinen oder in Lateinamerika sind die Lebensumstände mitunter so unmenschlich, dass man sich daraus nur mit Kunst retten kann. Aus einem glücklichen Leben entsteht selten gute Kunst.
Auf welche Filme sollten die Zuschauer besonders achten?
Karl: Im Grunde auf die Vielfalt der Filme. Sich zu trauen in möglichst viele reinzugucken. Lieber früher rausgehen, wenn man mit einer Welt so gar nichts anfangen kann, als auf sichere Banken setzen, wie die schon im Voraus bekannteren Filme unserer Auswahl.
Warum?
Karl: Unser Festival ist dazu da, Neues und Innovatives und nicht Gewöhnliches und Abgesichertes zu zeigen. Etwas was man eben sonst kaum mehr oder nur in Streichholzschachtelkinos zu sehen kriegt – außerhalb großer Festivals.
Ihr erwartet eine Reihe Regisseure und auch Hauptdarsteller. Wie wichtig ist das für das Festival?
Karl: Im Grunde entscheidend. Die Live-Kommunikation der Filme mit den Machern und Paten ist die zentrale Idee unseres Festivals. Zum persönlich-greifen nahe, direkt, menschlich und unkompliziert soll es hier um die Künstler und ihre Welten gehen. Publikum und Macher bewegeb sich auf absoluter Augenhöhe.
Welche Aufgabe kommt bei euch den Paten zu?
Karl: Sie geben einem Film persönliche Worte mit auf den Weg und diskutieren aus ihrer subjektiven Sicht den Film mit den anwesenden Regisseuren/ oder Darstellern UND dem Publikum. Indem sie sich jeweils einem der Werke annehmen, ihren Namen sozusagen drüber schreiben, „bürgen“ sie somit für die künstlerisch außergewöhnliche Qualität.
Was ist das besondere an Filmfestivals?
Karl: Kommunikation. Kommunikation. Kommunikation. Auch im übrigen ohne Worte: Im Kopf des Besuchers, der zusammen mit anderen eine Art Essenz von Leben aus/in anderen Teilen der Welt sieht.
Was passiert im Rahmenprogramm?
Karl: Im Grunde konzentrieren wir uns auf insgesamt 17 Filme und die dazugehörenden fast 15 Gäste und die 17 Paten. Nebenher ist am Donnerstag, unserem traditionellen „deutschen Abend“ (20. Uhr), vor dem Film „Im Alter von Ellen“ (von Pia Marais, in Anwesenheit von Jeanne Balibar, der Hauptdarstellerin), eine Diskussion über die Lage des deutschen Films mit spannenden Journalisten. Am letzten Abend wird zum zweiten Mal der International Film Award (ifa-Preis) verliehen für den Film der 14, der den interkulturellen Austausch am künstlerisch überzeugendsten repräsentiert.
Wie viele Länder und Festivals bereisen Sie als Festivalleiter?
Karl: Etwa zehn jährlich.
Aus welchem Land hätten Sie gern einmal einen spannenden Film?
Karl: Wenn ich gerade nicht endlich nach langer Zeit wieder einen großartigen Film aus diesem Land gesehen hätte, den ich für nächstes Jahr schon im Visier habe, dann hätte ich Indien gesagt.
Die Fragen stellte Denis Demmerle