Russische Filmwoche: Gegenwart trifft auf Vergangenheit


Filmszene: "Kraj - Am Rande der Welt"

Filmszene: "Kraj - Am Rande der Welt"

Vom 24. bis 30. November findet die sechste Russische Filmwoche statt und gastiert in diesem Jahr gleich in sechs Kinos der Stadt und hat neben einem umfangreichen Erwachsenenprogramm auch einiges für kleine Kinogänger zu bieten. Bereits zum sechsten Mal gewährt die Filmwoche Einblicke in das gegenwärtige und historische Kino Russlands und zeigt vor allem Filme, die in ihrer Heimat zu großen Publikumserfolgen wurden, die hierzulande aber noch nicht regulär auf der Leinwand zu sehen waren.

Den Auftakt der Filmwoche bildet Alexej Utschitels Oscar-Anwärter „Kraj – Am Rande der Welt„. Das Nachkriegsdrama zeigt in bewegenden Bildern die Geschichte des Frontheimkehrers Ignat, den es als Lokomotivführer in eine kleine Strafsiedlung im hintersten Sibirien verschlägt. Ignat findet seine Liebe in einer jungen Deutschen, die sich während des Krieges über im Wald versteckt gehalten hat. Sein Film handelt nicht nur von Liebe, sondern auch vom Kampf um Freiheit, um die Verwirklichung der eigenen Träume und um das Recht, anders zu sein. „Am Rande der Welt“ zeigt aber auch ein Stück deutsch-russische Geschichte, denn in der sibirischen Taiga vermischen sich die Schicksale von Deutschen und Russen, die überraschend die Rollen von Siegern und Besiegten zu tauschen scheinen.

Große Gefühle offenbaren auch andere Filme im Programm, durch das sich in diesem Jahr wie ein roter Faden die Themen Liebe und Leidenschaft ziehen. Ganz unterschiedlich bearbeitet natürlich: mal als erfrischende Komödie wie in „Ironie der Liebe“ von Alexander Tschernjaew, mal als raffiniert inszeniertes Melodram in Olga Subbotinas „In Sachen Liebe„. Ihr Film basiert auf dem Roman „Kalinka, Kalinka“ von Oksana Robski, eine der erfolgreichsten Autorinnen des modernen Russlands, deren Romane über die neue russische Geldelite sich auch in Deutschland gut verkaufen. Aber in „In Sachen Liebe“ geht es nicht nur um die Glamourwelt rund um die Moskauer Prachtstraße Rubljowka. Der Film zeigt in zwei Teilen die gleiche Beziehungsgeschichte einmal aus der Sicht Daschas und einmal aus Sicht von Wlad – und beweist damit einmal mehr, dass Männer und Frauen in völlig verschiedenen Welten leben.

Filmszene: "In Sachen Liebe"

Filmszene: "In Sachen Liebe"

Die Komödie „Orangensaft“ von Andrej Proschkin ist ein unterhaltsamer gleichwohl feinsinniger Film mit viel Situationskomik, der vor allem vom ausdrucksstarken Spiel seiner drei Hauptdarsteller und von seinen spitzen Dialogen lebt. Und es ist ein Film für Liebhaber von schönen Bildern und kunstvoller Kameraführung, denn hinter der Kamera stand Vadim Jusow, der sich in den 60er Jahren mit Andrej Tarkowskijs Filmen einen Namen machte. Der Film zeigt ein schickes Landgut bei Moskau. Drei Menschen, die außer Geld nichts zu verbinden scheint, haben sich hier zusammengefunden. Steven, schwerreicher Russe aus den USA, leidet an einer unheilbaren Krankheit und hat beschlossen, seinen Lebensabend in der alten Heimat zu verbringen. Seine beiden Angestellten sind seinen Launen und Machtspielchen hilflos ausgesetzt, denn beide sind auf sein Geld angewiesen: die junge und resolute Pflegerin Dascha hat mit den Schulden ihres Exmannes zu kämpfen, während Assistenzarzt Jegor, den Steven als seinen persönlichen Hausarzt angestellt hat, Geld für ein besseres Leben in Amerika spart. „Das ist kein frisch gepresster Orangensaft!“ – der allmorgendliche Streit um den Saft ist noch eine der harmlosesten Kapriolen, mit denen Steven Dascha schier an den Rand der Verzweiflung bringt. Im Laufe der Zeit beginnen sich jedoch die Machtverhältnisse innerhalb dieses unfreiwilligen Dreiergespanns zu verschieben und Steven muss merken, dass er Liebe nicht kaufen kann.

Das Rahmenprogramm des Festivals beinhaltet auch eine Reihe von Filmen für ausgesprochene Liebhaber des experimentellen Kinos. Die Retrospektive Vladimir Kobrin (1942–1999) ist einem der großen russischen Filmregisseure, dessen Name verbunden ist mit der Geburt einer neuen Sprache in der Kinematographie, gewidmet. Gezeigt wird eine Auswahl der wichtigsten Kurzfilme des Avantgarde-Filmemachers Vladimir Kobrin, der in seinen Filmen traditionelle Filmtechnik mit experimenteller Computeranimation verband. Michail Kamionsky, Kobrins Kameramann und langjähriger Freund, wird die Werkschau am Donnerstag, den 25. November, eröffnen.

Filmszene: Das hässliche Entlein"

Filmszene: Das hässliche Entlein"

Auch die Kinder kommen in diesem Jahr vollends auf ihre Kosten. Im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur wird der Kinderfilm  „Vorsicht, Kinder!“ zu sehen sein. Stanislaw Lebedew´s Film ist eine erfrischende Kinderkomödie über wahre Freundschaft und darüber, wie aufregend, wunderbar und voller Emotionen die Welt sein kann, wenn man sie aus Kinderaugen betrachtet. Besonderes Schmankerl des Rahmenprogramms ist der Animationsfilm „Das hässliche Entlein“ von Trickfilmregisseur Garri Bardin, der sich bereits seit Ende der 70er Jahre vor allem durch seine ungewöhnlichen Knetanimationen einen Namen gemacht hat. Auch bei seinem neuen Werk, an dem er über sechs Jahre gearbeitet hat, ist er seinem Grundsatz treu geblieben, Arthousefilme für ein breites Publikum zu machen: „Das hässliche Entlein“ ist keine Computeranimation, sondern verwendet ausschließlich handgearbeitete Puppen und Plastilinfiguren. Frei nach Andersens Märchen ist er ein Animationsfilm im Musical-Stil für Jugendliche und Erwachsene.

Russische Filmwoche, 24. bis 30. November, im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur, Bayblon: Mitte, Broadway Kino, Delphi Filmpalast, Kino International, Kino im FEZ, www.russische-filmwoche.de