Antike Welten: Stummfilme im Zeughauskino
Drei harte Schläge haben die Welt des Theaters Ende des 19.Jahrhunderts getroffen: der Cinématographe der Gebrüder Lumière, die Entwicklung der Lichtgestaltung und die Sezession der Pantomime. Die Blessur des Ganzen ist der Beginn des Spielfilms. Zuerst noch ohne Ton, dafür mit den Nachwehen einer überfeinerten Klavierkunst ausgestattet. Zuerst noch alberner Schabernack, bald jedoch eine erstzunehmde Kunstform. Da jedes Spiel mit dem Umgang der Tradition der Regeln und damit der Betrachtung der eigenen Vergangenheit zu tun hat, musste man nicht lange warten, bis die ersten Stummfilme die antike Welt als Sujet entdeckten. Das Zeughaus Kino zeichnet vom 18. bis 19. März in seiner Reihe „Antike Welten im Stummfilm“ die Linien vergangener Geschichtsbewunderung nach. Während der 18. März sich mit Erzeugnissen der vergangenen Mittelmeerhochkulturen der Griechen und Römer befasst, ist der 19. März biblischen Themen und Motiven gewidmet.
Der Regisseur der ersten Fantomas-Verfilmungen, Louis Feuillade, schuf mit „La Légende de Midas“ eine der ersten Tragödien über den gierigen König Midas. Der Legende nach bat er Dionysos darum, alles von ihm berührte in Gold zu verwandeln. Sein Wunsch wurde ihm erfüllt. Damit war ihm Essen und Trinken unmöglich und verzweifelt, wendete er sich erneut an den Gott des Weines und des Glücks. Der riet ihm, im Fluss Paktolos zu baden. So soll der Legende nach der goldreichste Fluss Kleinasiens entstanden sein. Vor Orson Welles war zumindestens William V. Ranous Schauspieler, Regisseur und Produzent in ein und dem selben Spielfilm. Außerdem liegt mit „Julius Caesar“ die erste Adaption dieses Shakespeare-Stückes vor. Beleuchtet wird dabei Julius´ finale Zeit nach dem Ende des römischen Bürgerkrieges.
Die römische Republik ist zerstört und Caesar soll zum König ernannt werden. Doch es kam zu den berühmten 23 Messerstichen im Theater des Pompieus. Caesars Macht war gebrochen, jedoch wurde er als menschliches Mahnmal für Größenwahn und Intriganz unsterblich. Jedes Mittel ist Recht und da die einzelnen Akteure nie gelernt, haben zu verlieren, werden sie zu menschlichen Ungeheuern. Das Vermächtnis dieses Filmes liegt darin, die Aufhebung der Immunität gegen Schuld und Neurose und die Wohlfeilheit des eigenen Menschenlebens in markante Bilder zu übersetzen und damit Geburtshelfer des Thriller-Genres zu sein. Als Erfinder des Animationsfilmes, der die Stop-Motion und Mehrfachbelichtungen in den filmischen Betrieb überführte, gewann J.Stuart Blacketon auch eine erste Lichstspielreflexion dem Propheten Moses ab. Es bleibt spannend, wie in 17 Minuten das Leben des Mannes dargestellt werden soll, der die Israeliten aus Ägypten führte. Bedenkt man, dass die Charleton Heston-Verfilmung einige Dekaden später gute vier Stunden dauert.
Wie der Blick des Gegenüber, in dem wir uns selbst wiederfinden, ist die Suche nach einem geeignetem Sujet zu erst einmal Recherche.Die westliche Kultur ist im Kern durch ein christlich-jüdisches Moralverständnis und ein griechisch-römisches Rechts-und Politikverständnis gekennzeichnet. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Pioniere dieses Mediums auf die Geschichten dieser eigentlich verfeindeten Kulturkreise stürzten. So konnten sich Gegensätze in Entschiedenheit einander gegenübertreten und der Frage nachgehen: „Was bin ich ?“
Joris J.
Das Programm im Überblick auf der zweiten Seite.